Donnerstag, 11. Januar 2018

Das Mädchen und der Drache

Für meine Tochter

Der neue Freund

„Guck mal Mama! Ich habe einen neuen Freund mitgebracht.“
In Erwartung, ihre kleine Tochter habe wieder eine Maus, einen Igel, einen Hamster oder vielleicht einen Vogel anschleppte, schaute die junge Frau mit liebevollen Blick auf ihre Tochter um dann den neuen Freund zu sehen. Das Gesicht wurde blass während ihr Blick immer höher und höher ging. Das Kinn klappt herunter und mit Schreck geweiteten Augen sackte sie gegen den Türrahmen um dann mit einem Seufzer zusammenzubrechen.

„Mama?“
„Ich sagte doch, dass das keine gute Idee ist.“
Fernes Donnergrollen klang ähnlich beruhigend, wie die Stimme aus ungefähr 15 Schritt Höhe.

Einige Stunden vorher

„Du bist wach! Schön. Du hast sehr lange geschlafen. Wie heißt du? Ich heiße Maja.“
Fröhlich plapperte das Mädchen drauflos, als würde sie nicht in ein Auge schauen, das so groß wie ihr Kopf war. Und dass dieses Auge in einem riesigen Schädel steckte, der so groß wie eine Kuh war und ein Maul trug, dass eine solche ganz einfach zerreißen konnte. Wie die sichtbare Zahnreihe erahnen ließ, deren Zähne so lang wie ihre Beine waren.

Ein Schnaufen fuhr aus den Nüstern und der Wind fuhr durch die ganze Höhle. Das Schnaufen wurde lauter und endete in einem Grollen dessen Vibration das Mädchen zittern ließ. 
„Hi Hi Hi! Das kitzelt. Mach das nochmal!“
Nun war es das riesige Wesen vor ihr, das erneut kurz grollte ohne es zu wollen. Fröhlich kicherte die Kleine. Das Kribbeln ging bis in die Haarspitzen.
„Wie heißt du?“
Wieder ein kurzes Grollen, gefolgt von einem Kichern.

„Fürchtest du dich gar nicht?“ grollte die Stimme und ein wenig Rauch quoll aus den Nüstern.
„Warum sollte ich?“ lächelte sie den Drachen an.
Dieses Mal grollte er etwas länger, fast nachdenklich.
„Menschen fürchten sich meistens vor mir.“ antwortete es langsam.
„Warum denn? Du hast doch nur geschlafen.“
„Hrrrrrmmmmm“ grollte es gedehnt. „Das tue ich nicht immer. Wenn ich wach bin, dann habe ich Hunger und fresse.“
„Menschen?“ fragte das Mädchen nun mit einem Anflug von Sorge.
„Hrm. Nein. Die mag rrrrrr fresse ich nicht.“
„Dann ist doch alles gut.“ lächelte sie beruhigt und stellte die Lampe auf einen Stein vor sich. Sie dreht an einem Rädchen um mehr Licht zu bekommen.
„Ich habe einiges aus deinen Zähnen gepult. Machst du die nie sauber?“
„Hrrrrm?“ grollte es kurz und nun erfasste die Kleines es als Laut der Verwunderung.
„Na, deine Zähne. Das war ja scheußlich! Ich habe da einige Knochen und sonst was rausgeholt. Das war schwer und sehr eklig!“
„Wie bist du hier überhaupt reingekommen?“ grollte die Frage ihr entgegen. „Und wie lange ... besuchst du mich schon?“
„Es gab einen Erdrutsch. Vor ein paar Tagen.“ Kurz neigte sie den Kopf. „Oder vor einer Woche oder so. Da habe ich schöne Steine gefunden und dann die Höhle. Es ist nur ein kleiner Eingang. Ganz versteckt.“
 „Hrrrm, gut.“
„Hast du lange geschlafen?“
„Einige Jahre.“
Kurz schloss das Wesen die Augen und senkte den Kopf. Erinnerungen schossen wie Blitzlichter am geistigen Auge vorbei.
„Das ist sehr lange! Ich schlafe nie so lange. Nur in der Nacht. Und manchmal kann ich dann auch nicht schlafen. Wenn es kalt ist oder so. Du bist schön warm. Das mag ich.“
Kurz blinzelte das Wesen mit den Echsenartigen Augen und legte den Kopf schief.
„Erstaunlich.“ grollte es. „Bisher fürchteten sich alle Menschen vor mir.“
„Wenn du sie nicht frisst, warum haben sie denn Angst gehabt? Hast du sie gehauen?“

Das blecken der Lefzen hätte selbst erfahrene Krieger vor Angst zurückweichen lassen, doch spürte die Kleine sofort das Lächeln, dass es sein sollte. Der Drache war gerührt von der Arglosigkeit des Mädchens.
Weit hinten in der Höhle schliff etwas Großes über den Boden.
„Du bist ja riesig. Kannst du fliegen? Das dahinten sieht aus wie Flügel.“
„Rrrrrr ja, ich kann fliegen. Und ja, ich bin größer als du.“
Mühsam erhob sich das Wesen auf seine Tatzen und begann sich zu strecken.
„Arrrrr das tut gut.“ Den Kopf hin und her drehend erhob es sich weiter. Dabei knackten die Knochen als würden Äste brechen.
Mit strahlenden Augen schaute ihn das Mädchen an. Über ihr legte der Drache den Kopf schief. Nach alle den Jahren des Schlafes hatte er Hunger. Doch Menschen vermied er zu fressen. Selbst die Krieger, die ihn jagten vermied er zu fressen oder nur zu töten. Die alte Freundschaft zu den Menschen war ihm noch zu präsent. Wenn auch diese Freundschaft seit langem nur noch in seiner Erinnerung bestand.
Nun stand hier ein kleines Menschenkind vor ihm, hier in seiner Höhle die nie ein Mensch zuvor betreten hatte und fürchtete sich vermutlich mehr vor der Dunkelheit als vor ihm. Kopfschüttelnd legte er sein mächtiges Haupt wieder auf seine Tatzen nieder und atmete nochmals tief durch. Die Zeit des Erwachens war bisher immer eine Zeit des Alleinseins gewesen. Nun plapperte das Mädchen fröhlich drauflos wie ein Bergbach im Frühling.
Was hatte sie gerade gesagt? Sorgen? Warum? Name? Ach ja, sie wollte seinen Namen wissen. Sie redete so schnell und er musste erst mal Wasser saufen und etwas fressen. Hoffentlich gab es noch die Herden der Menschen. Schafe mochte er nicht so gern, die hatten zu viel Fell. Kühe waren gut. Viel Fleisch.
Was? Kleine, du redest zu viel. Zu viel und zu schnell. Was bedroht euch manchmal? Hrrrm, diese Menschen. Kaum ist etwas größer als sie selbst, werden sie ängstlich.
„Schweig!“ grollte er lauter als gewollte und das Mädchen zuckte zusammen. Irgendwo polterten Steine zu Boden. Ängstlich drückte sie eine kleine Strohpuppe an sich und ließ den Kopf hängen.
„Verzeih! Der lange Schlaf macht mich träge und du ...“
„redest du viel, richtig? Ich rede immer so viel, sagt meine Mama und oh.“ Brach sie sich selbst ertappend ab.
„Harr Harr Harr!“ grollte ein freundliches Lachen durch die Höhle. Das Wohlwollen spürte das Kind mehr als dass es das hörte.
„’tschuldigung.“ Mit gesenktem Kopf schaute sie ihn an.
„Schon gut. Der Durst und der Hunger sind groß und.“
„Ich hab hier was plätschern hören, vielleicht ist das ein Wildbach und du kannst oh, tut mir leid.“
„Hrrrrmmm.“ Den mächtigen Kopf schüttelnd erhob sich der Drache und stemmte sich auf seine Beine die manch alten Baum an Umfang übertragen. „Geh da in die Nische! Ich drehe mich nun um und sehe dich dann nicht.“
Mit einer überraschenden Geschmeidigkeit und Eleganz drehte sich der Drache von ihr weg und umrundete eine Felssäule so groß wie ein Kirchturm. Dann war er verschwunden in der Dunkelheit. Maja kauerte sich in die Nische. Dass in die Nische ihr Elternhaus dreimal reingepasst hätte, von der Höhe ganz zu schweigen, machte sie etwas nervös doch wollte sie sich nichts anmerken lassen.
Von weit hinten ertönte nun ein Plätschern und Klatschen von Wasser. Der Drache trank wohl den Bach leer.

In einem der nächstgelegenen Dörfer wunderte sich der Wassermüller, dass seine Mühle plötzlich stillstand. Als er aus der Tür an den Bach trat, stellte der Müller überrascht fest, dass der Bach zum Rinnsal geworden war. Eben überlegte er zum Schultheiß zu gehen, als das Plätschern wieder lauter wurde und der Bach zu seiner alten Größe fand. Hat sein Oheim nicht davon mal erzählt?

„Kommst du mit raus? Hier ist es kalt und feucht. Draußen ist es schön warm. Die Sonne scheint. Und ich habe Hunger. Vor der Höhle steht ein Apfelbaum und.“
„Rrrrrrrrr!“
„Ja, ich bin ja schon ruhig.“
„Geh vor!“
Langsam tapste sie los, die Puppe eng an sich gedrückt und verließ bald darauf die Höhle. Fröhlich pflückte sie einige Äpfel und warf dem Drachen einen zu. Hätte er erstaunt gucken können oder wenigstens eine Augenbraue heben können, er hätte es getan. So wunderte er sich über das weiche Steinchen in seinem Maul und schluckte es herunter.

„Kommst du mit?“
„Wohin?“
„Zu meiner Mama. Sie möchte alle meine Freunde kennenlernen. Ich bringe immer mal einen Vogel oder eine Maus mit.“
Wieder brummte der Drache als Äquivalent des Augenbrauen Hebens. Immer noch erstaunte ihn die Sorglosigkeit.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Menschen mögen mich nicht besonders.“
„Ich mag dich. Dann mag Mama dich auch!“ entschied sie und ging los.
Vorsichtig schob sich der Drache aus der Höhle und streckte sich erst mal in alle Richtungen aus. Auf der Wiese breitete er die mächtigen Schwingen aus und hob kurz ab um direkt hinter dem Mädchen zu landen.
Dieses drehte sich überrascht um, sie hatte ihn weiter hinten vermutet. Weit aufgerissene Augen starrten ihn an.
„Was hast du, Kleine?“ fragte er arglos. Den leichten Spott spürte sie dennoch.
„Kannst du fliegen?“
„Du bist schlau.“
„Das sagt Mama auch immer. Und frech, sagt sie. Aber das stimmt nicht, finde ich.“
„Hrrrrmmm.“

Fröhlich lief sie über die Wiese an einem kleinen See vorbei. Um eine kleine Biegung des Waldes herum führte sie ihn und bald standen sie vor dem Haus ihrer Mutter.
„Maaaamaaaaa! Maaaamaaaa!“ rief sie laut. Da trat ihre Mutter in die Tür.
„Guck mal, ich habe einen neuen Freund mitgebracht!“ rief sie fröhlich um dann überrascht „Mama? Was hast du Mama?“ ihre Mutter zusammenbrechen zu sehen.
„Ich sagte doch, dass das keine gute Idee ist.“ Grollte es über ihr.
„Aber aber ...“
„Ich werde mir was zu fressen suchen und dann in der Höhle warten. Kümmere du dich um deine Mutter.“
„Ja.“ Kam es traurig zurück.
Schnell lief das Mädchen auf ihre Mutter zu und bettete den Kopf in ihrem Schoß. Als ihre Mutter erwachte, verschwand der reptilienartige Schwanz der Echse gerade um die letzten Bäume.

Maja konnte nicht verstehen, dass ihre Mutter ihr zum einen nicht glauben wollte und zum anderen verbot wieder zu der Höhle zu gehen. Warum durfte sie ihren neuen Freund nicht wieder sehen? Er tat doch niemandem was. Sie lag die ganze Nacht wach und dachte an ihren Freund. Immer wieder sah sie ihn vor sich und spürte sein Lächeln.

Einige Meilen entfernt lag ein alter Drache in seiner Höhle und lächelte ebenfalls.


Am Tag darauf

„Aus’m Weg, Du!“
Etwas brach krachend auseinander, Geschirr zerbrach klirrend auf dem Holzboden.
„Was wollt ihr? Ich habe nichts!“
„Werden sehn.“ Bellte eine rauhe Stimme.
Innig betete die Mutter, ihr Kind möge weiterschlafen und nicht entdeckt werden.
„Mama? Was ist passiert?“
„Maja! Versteck di-AU!“ Ein hartes Klatschen unterbrach sie.
Die Tür zur Kammer wurde so hart aufgerissen, dass sie aus den Angeln brach.
„Was hab’n wir da? Süßes Vögelchen. Gefällt mir.“
Grobe beharrte Hände packten sie hart an dem dünnen Arm und rissen sie aus der Kammer. Wie am Spieß schrie sie.
„Lasst sie, bitte! Nehmt mich!“ Verzweifelt war ihre Mutter sich auf einen der Unholde.

Es waren nicht wirklich Menschen, die sie da bedrängten. Es wusste niemand so genau, was sie mal waren und wie sie das wurden, was sie nun waren. Irgendeine Mischung eines Wesens aus den Bergen und Mensch, das nun voller Hass die beiden Weibachen voller Gier anschaute. Der Anführer war der einzige, der die Sprache der Menschen sprach.
Seine vier Kumpane durchwühlten bereits die kleine Hütte und zerbrachen alles, was sich zerbrechen ließ. Sie fluchten laut in ihrer Sprache, denn es gab hier nichts. Gierig linsten sie zu dem hübschen Menschenweibchen. Sie wollten es auch. Doch ihr Anführer durfte als erstes, so war es immer. Dann würden die anderen rankommen.

Oh, was war das? Der Anführer fluchte laut und nahm sein Handgelenk in den Mund. Ah, er hat nicht aufgepasst. Das kleine Weibchen hat ihn gebissen. Selber Schuld. Ja, schon recht, dass er sie aus der Hütte wirft. Da kann man sie schon mal hauen. Oh, die Kleine wehrte sich immer noch. Verdammt. Die war zäh. Er warf sie gegen den Zaun. Grad beugt er sich über sie, als ein anderer laut aufschrie und zusammenbrach.
Oh, das Mutterweibchen hat einen Dolch. Das ist ärgerlich. Der andere war stark, nun ist er tot. Selber Schuld. Oh, sie greift weiter an. Verletzt noch einen am Arm. Endlich trifft sie eine Keule. Ja, das Mutterweibchen bricht zusammen. Gut. Hoffentlich lebt sie noch. Tot macht es nicht so viel Spaß. Brutal schlägt der Anführer erst den Verletzten, dann das ältere Weibchen. Sie wuchten sie auf einen Tisch vor dem Haus. Das Kind schreit viel zu laut. Was bedeutet Drache? Egal, ein alter Lappen wird sie still machen.
Die Mutter bekommt einen Eimer Wasser über den Kopf. Der Anführer reißt ihr schon mal die Kleidung vom Leib und reißt den Lendenschurz runter. Gut, wenn er fertig ist, dann kommen wir. Hier drinnen ist noch Brot, die anderen beiden warten draußen, da kann ich essen.

Trotz Knebel kreischt das kleine Weibchen ganz schön laut. Die ältere ist noch benebelt, gut. Sie wird schon wach, wenn sie dran ist. Drumherum stehen die beiden Kumpane und feuern ihn an. Ihre Erregung ist deutlich zu sehen. Was ist das? Grad will der Anführer sich auf das Mutterweibchen stürzen, da steigt der Anführer in die Luft. Kann er fliegen?

Mit stumpfen Blick und offenem Maul folgen seine Kumpane dem entschwindenden Anführer. Hoch in der Luft knackt etwas laut und dann fällt der Anführer so stumm, wie er in die Luft stieg wieder zu Boden. Dumpf schlug er neben zwei Schweinen auf, die sich bald daran machten, die willkommene Abwechslung des Speiseplans zu genießen.

Was war das? Die beiden Kumpane glotzten erst noch in den Himmel und begannen dann zu laufen. Er trat aus der Hütte um sich sofort gepackt und in die Luft gerissen zu fühlen. Wieso war er in der Luft? Was packte ihn so?

Das letzte, was der Unhold sah, waren seine dreckigen Füße, deren krumme Fußnägel gelbbraun über die Zehen hinausragten und hoch in der Luft hingen. Dann wurde sein Kopf gedreht und es wurde schwarz. Die zwei Hausschweine brauchten die nächsten Tage kein Futter.

Lange hielten sich eine Frau und ein kleines Mädchen vor einer kleinen Holzhütte im Arm und weinten. Kurz vor Sonnenuntergang kam Bark, der Jäger aus dem Wald, ein Reh über der Schulter. Wie zufällig war immer mal wieder am Haus der jungen Witwe aufgetaucht und ihr bei einigen Sachen zur Hand gegangen.
Heute wurde es kein fröhlicher Besuch, wie er gehofft hatte. Heute hielt er zwei Menschen im Arm und weinte mit ihnen und sprach ihnen Trost zu.


Am nächsten Morgen machte sich der Jäger auf ins Dorf um dem Schultheiß Bericht zu erstatten. Eine Mutter und ein kleines Mädchen machten sich auf den Weg zu einer Höhle, deren Eingang vor Kurzem erst freigeschüttet wurde.
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Samstag, 16. Juli 2016

Exploration

Rick Future ist die wunderbare und kostenlose SciFi-Hörspielserie von Sven Matthias. Link zur Seite von Rick Future
Ich bin Fan der Serie und habe viele Autostunden mit den Helden mitgefiebert, gelitten und geweint. Nun fiel mir diese Geschichte ein und musste sie einfach niederschreiben.


Die Geschichte ist noch nicht fertig, online gestellt habe ich sie trotzdem.



Exploration

Orbit über dem Kolonieplaneten Nitai

Was für ein Kleinod in diesem einsamen System. Wasser umschloß zahlreiche kleinere und größere Inseln des Planeten. Das Festland war von einer waldigen Vegetation bedeckt, die von Flüssen durchzogen war. Selbst die Pole waren bewachsen. Es machte den Eindruck, als wäre das ganze Planet kuschlig warm.

Wir hatten den Auftrag des Sicherheitsdienstes angenommen, eine Exploration durchzuführen. Eine bekannte Unterweltgröße, Größe kann man hier nicht deutlich genug betonen, war verschwunden, mehrere seiner Feinde verfügten plötzlich über eine deutlich größere Liquidität und Kontakte, die vorher dem Verschwundenen gedient hatten.



Drei Tage vorher, ein Raumhafen

Normalerweise nahm ich keine Aufträge der Behörden an, ich war frei. Soweit man das Leben als *räusper* 'Transporter für alles' frei bezeichnen kann.

Aktuell tat sich viel in der Galaxis und so war ich gezwungen, fast jeden Auftrag anzunehmen, der Galacs bot. Mein Schiff, die Rennschnecke, war ein umgebautes Transportschiff mit zahlreichen, äh, Modifikationen und Erweiterungen. Einige davon illegal. Nein, viele davon.

Da der letzte Auftrag gründlich in die Hose ging und zum einen die Kundin nur knapp ihr Ziel erreichte und damit die Geschwindigkeits-Boni strich, die ich dringend für Reparaturen brauchte, zum Anderen der Sicherheitsdienst uns erwischte und festsetzte, hatte ich einige Probleme.
Mein Ruf war nun in diesem Sektor angeschlagen, das Schiff zwar flug-, jedoch nicht voll einsatzfähig, Galacs hatte ich geradeso für ein zwei Bier in der Cantina, jedoch nicht ansatzweise für Reparaturen.

Und nun hing ich beim Sicherheitsdienst fest. Dieser konnte mir zwar nicht wirklich viel nachweisen, jedoch war jeder Zwangstag im Dock ein teurer Tag. Der Hafenmeister zählte mir jeden Abend mit einem genüsslichen Grinsen den aktuellen Stand meiner Schulden auf.

Da beorderte mich ein Captain Huggins zu sich. Mit einem mehr als unguten Gefühl wurde ich in seine Kabine geführt. Zwei Mann vom Sicherheitsdienst für mich und drei Mann für meinen Cheftechniker und Navigator. Drei für ihn, weil Hanss ein Androide war. Hanss war ein Humanoides Androides Navigations und Service System. Fragen Sie mich nicht, wer sich diesen Namen ausdachte. Offiziell der Technikoffizier für mein Schiff, inoffiziell aufgerüstet mit zahlreichen Spielereien die einen etwaigen Angreifer den Tag versauen konnten. Zum Glück brauchten wir diese Fähigkeiten eher selten.

Das wussten, so hoffte ich, die Sicherheitsleute nicht. Sonst wären sie vermutlich weniger entspannt hinter ihm hergelaufen. Dennoch liefen hinter ihm drei, zwei davon mit Schockern, die einen Kampfroboter den Gar aus gemacht hätten.

Wir traten in das Büro von Captain Huggins und selbst ich, als Terraner konnte in seinem froschähnlichen Gesicht eine gewisse Genugtuung erkennen.

"Mister ... Pratt. Herzlich willkommen."

Mit diesen Worten hieß er mich in seiner Kaugummisprache setzen. Hanss stellte sich in eine Ecke. Sitzen konnte er zwar, fand das aber überflüssig. Ja, er hatte oft eine eigene Meinung und diese wusste er auch gut zu vertreten.

"Danke" murmelte ich knapp.

"Kommen wir gleich zur Sache, Mr. Pratt. Normalerweise unterhalte ich mich nicht mit Leuten aus Ihrem ... Berufsstand. Doch kann ich Ihre Erfahrung und Ihre Fertigkeit gebrauchen."

Kurz holte er Luft.
"Und Sie brauchen Geld."

Den letzten Satz betonte er mehr als deutlich. Genüsslich listete er die Positionen auf, die ich auf meiner Rechnung finden würde.

"9 Tage Raumport 23C mit Techniksupport, 465 Galacs je Tag, ah ah, keine Widerrede, Mr. Pratt!" wedelte er mit einem seinem froschartigen Zeigefinger.

"9 Tage Anschluß an das Energienetz, 78 Galacs pro Tag. Ja, neuerdings wird das gesondert berechnet.
Dann die Kosten für die Zerstörung bei Ihrer, sagen wir spontanen Landung, 9678 Galacs. Dann kommen noch diverse Vewaltungsgebühren, Gebühren für den Vollzug und Untersuchungskosten dazu.
Insgesamt, Mr. Pratt, schulden Sie dem Sicherheitsdienst nun fast 20.000 Galacs."

Er machte eine längere Pause um seine Worte wirken zu lassen. Ich ging in Gedanken die Posten durch, fragte mich, seit wann die Energie extra bezahlt werden müsse, das war nirgendwo sonst üblich, warum bei der schnellen Landung so viel zu Bruch ging, seit wann man die Polizeiarbeit bezahlen sollte und wieviele Galacs wohl noch auf meinen Konto waren.

"Ihren aktuellen Kontostand nach, sind Sie nicht in der Lage, diese Rechnung zu begleichen."

Verdammt! Und das Schiff muss repariert werden.

"Und Ihr Schiff braucht einen mehrtägigen Reparaturaufenthalt."

Pratt, Junge, du bist am Arsch!

"Dennoch möchte ich Ihnen einen Auftrag erteilen. Sie sollen einen einfachen Erkundungsflug, die Exploration eines Planeten."


Es kitzelte etwas im Hinterkopf. Meine Stirn zog sich kraus, ohne dass ich das verhindern konnte. Nun rasten meine Gedanken los.


Ein Erkundungsflug ist doch meist einfach. Warum ich? Ist das eine Falle? Haben die keine eigenen Leute? Das ist der Sicherheitsdienst, die haben alles, was man braucht. Soll ich draufgehen?
Nein, die nutzen die Situation. Pratt, Junge, sei wachsam!


So grübelte ich einige Augenblicke vor mich hin. Captain Huggins ließ mich in Ruhe. Nur die Sicherheitsleute hinter mir stellten sich unruhig von einem Bein auf das andere.


"Nun, Mister Huggins..."


Ich betonte das Mister ähnlich wie er vorher und einer seiner Leute zog hart die Luft ein.


"Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen soll. Wie Sie schon sagten, das Schiff ist in einem unerfreulichen Zustand, denn der Antrieb hat gelitten, die Schilde funktionieren und mal nicht, einige weitere Dinge sind defekt. Und Geld für das alles und weitere Dinge habe ich zu wenig, wie Sie ja schon feststellten."


Kurz holte ich Luft und fuhr fort.


"Warum also wollen Sie meine Dienste? Fakt ist, dass Sie mehr Ressourcen haben, mehr Leute und mehr Schiffe. Wenn Sie mich anheuern wollen, dann haben Sie ein Problem. Eines, dass ich kennen sollte, denn sonst könnte es vermutlich interessanter für mich sein, in Ihrem Schuldturm zu versauern und meinen Partner beim verrosten zuzuschauen, als Ihren Auftrag anzunehmen."


Nur kurz wirkte sein Gesicht als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen, dann verzog es sich zu einem breiten Froschgrinsen.


"Sehr gut, Mister Pratt, sehr gut. Genauere Auskünfte, warum ich gerade Sie anheuern möchte, kann ich Ihnen nicht geben. Nur so viel, dass wir unsere Ressourcen, wie Sie es nannten, anderweitig brauchen ..."


"Die Nakrotianer machen Ihnen das Leben schwer. Und die Wace Station, ein wichtiger Teil Ihrer Flotte, ist hart umkämpft. Der Großteil Ihrer Schiffe wird in dem Raumsektor benötigt. Aktuell sieht es nicht so gut aus für den Sicherheitsdienst."


Das war keine Frage, was Hanss da emotionslos in den Raum warf. Die beiden Sicherheitsleute mit den Schockern zuckten erschreckt zusammen. Bisher hatte Hanss sich nicht geäußert und wirkte wie ausgeschaltet.


"Richtig. Wir brauchen alle Schiffe für wichtigere Aufgaben und können für eine einfache Erkundung niemanden abstellen."


Er atmete schwer aus.


"Hier ist der Deal: Sie machen den Flug, Sie erkunden den Planeten, Sie bergen, was zu bergen ist. Seien es Informationen oder andere interessante Dinge."


Fragend schaute ich ihn an und nickte ihm auffordernd zu.


"Es kann sein, dass auf dem Planeten verbotene Waffen lagern. Diese wollen wir haben, bevor sie anderen in die Hände gelangen."


"Und Sie schicken mich dahin um diese zu bergen? Sie wissen, womit ich mein Geld verdiene?"


Huggins winkte ab:


"Sicher, Sie schmuggeln Dinge von A nach B. Aber Sie haben auch einen Ruf. Der grad zwar etwas angeschlagen ist, aber Ihr Ruf als Schmuggler für eher ... anständige Dinge ist hinreichend bekannt.
Sie würden keine Sklaven, gefährliche Drogen oder extrem gefährliche Waffen schmuggeln. Unser Dossier über Sie ist umfangreich genug."


Touché.


"Sie haben schon Aufträge abgelehnt, die Sie ein deutlich sorgenfreieres Leben hätten führen lassen. Und auch die Kleine, die Sie hierher gebracht haben, hat zwar Geld, ist aber auf der Flucht vor ihrer Familie. Wir haben sie inzwischen, äh, versorgt."


Überrascht schaute ich ihn an.


"Ja, auch wir haben ein Herz." Breit grinste er mich mit seinem Froschmaul an.


"Selbst wenn ich den Auftrag annehmen wollte, mein Schiff ist ..."


"Ihr Schiff wird repariert, aufgetankt und Ihre Schulden sind mit dem Auftrag beglichen. Und Sie bekommen natürliche eine, sagen wir mal, Aufwandsentschädigung von 20.000 Galacs."


Kurz überschlug ich die Reparaturkosten und nickte dann.


"Deal."


"Gut, Mister Pratt, meine Techniker sind schon an Ihrem Schiff und machen einen ersten Check. Sie können bald abfliegen. Die Koordinaten und unser Primärziel der Erkundung lasse ich Ihnen übermitteln."


So wurden wir wieder zur Rennschnecke geleitet, dieses Mal mit nur einem Mann vom Sicherheitsdienst. Um das Schiff wuselten schon viele Techdroiden neuester Bauart und bester Ausstattung und die dazu gehörenden Ingenieure. Man man, bisher hatte ich unser Schiff nur in schäbigen Raumhäfen reparieren oder aufrüsten lassen können.


Im Schiff war dann auch allerhand los. Alles, was drin gemacht werden musste, wurde schnell erledigt. So hatten wir keine Ruhe bis zum frühen Morgen. Die erste, weiße, Sonne war schon aufgegangen, die zweite, blaue, stand in den Startlöchern.


Ich ging noch mal ordentlich auf Kosten des Sicherheitsdienstes frühstücken, ging die Reparaturliste durch und freute mich des Lebens. Es wurde alles, aber auch wirklich alles repariert. Selbst die Toilette funktionierte nun einwandfrei und die Dusche tropfte nicht mehr. Und anhand der Koordinaten wusste ich, dass ich nun über zwei Tage würde schlafen können.


Hanss hatte sich im Quartier von Huggins über eine weniger gesicherte Verbindung in das System hacken können. "Umschauen" nannte er das.
Wie die Spatzen es von den Dächern pfiffen, hatte der Sicherheitsdienst wirklich allerhand zu tun. Sie hätten zwar noch freie Leute gehabt, diese hätten jedoch aus entfernteren Sektoren herangekarrt werden müssen.


Meine Akte hat er sich auch angeschaut und gespeichert, "optimieren" konnte er sie nicht. Und er hatte etwas über unser Ziel herausgefunden. Mitgeteilt wurde uns nur, dass wir uns umschauen sollten und welche Art von Transportkisten vermutlich vor Ort sein könnten.


Was sich darin befand, sagte man uns nicht. Hanss fand heraus, das der Sicherheitsdienst vermutete oder eher befürchtete, dass dort mindestens eine Kiste mit hochgradig gefährlichen Material vorhanden war. Emotionslos gab er mir den Bericht auf den Schirm und ich runzelte die Stirn. 'Hochgradig gefährlich'. Was auch immer, die damit meinten.



Orbit über dem Kolonieplaneten Nitai

Der Flug verlief ereignislos. Das System war eher einsam. Eine Sonne, ein Planet mit einem kleinen Mond. Der Anblick war schon schön und mir kam der Gedanke, was der Planet wohl kosten würde. Ich mochte Planeten, die warm waren. Nicht heiß, wie der Mars, sondern kuschlig warm.


Die träumerischen Gedanken wischte ich zur Seite und wir begannen mit dem Scan. Auf sämtlichen Kanälen, auch den weniger üblichen, funkten wir den allgemeinen Ruf. Natürlich antwortete niemand. Aber warum natürlich? Das war doch ein Kolonieplanet.


Hanss machte einen Scan mit allem was wir hatten. Das waren die Standardscanner und die, die es nur auf dem Schwarzmarkt oder in Militärdepots zu bekommen waren. Damit konnten wir zum Beispiel nicht nur die Oberfläche absuchen, sondern auch in die Tiefe gehen.


In diesem Fall hatten wir damit schon mal das gesuchte Wohnareal gefunden und, gut versteckt unter Bäumen und Büschen, eine kleinere bunkerartige Struktur. Diese konnten die Scanner zwar nicht durchleuchten, aber immerhin hatten wir sie gefunden.


So gingen wir runter.


Die verstummte Kolonie wollten wir später untersuchen.


Abgelegenes Wohnareal, Kolonieplanet Nitai

Da wir uns nicht verstecken mussten, landete Hanss direkt vor dem Gebäudekomplex, innerhalb der hohen Mauern, nachdem wir es zweimal langsam überflogen hatten. Die Sicherheitssysteme, wie auch sämtliche Technik, waren deaktiviert, sonst hätten die umfangreichen Abwehranlagen uns Probleme bereitet.


Es schien nichts lebendiges auf dem Gelände zu sein. Außer einigen Tieren des Waldes. Alles, was fliegen konnte, hatten wir eh verscheucht.


Hanss verließ als erster die Rennschnecke und schaute sich um. Das heißt, er liess die Scanner des Schiffes für sich arbeiten. Seine eigenen nutze er für die Bereiche, wo das Schiff nicht mehr hinkam. In seinen Armen trug er einen großen Strahler, auf dem Rücken trug er eine Box mit Werkzeugen die nicht nur den Sicherheitsdienst neidisch gemacht hätten.


Ich selber hatte meinen Blaster umgeschnallt und meinen Visor aufgesetzt. Damit konnte ich Infrorotsignaturen erkennen und einige andere hilfreiche Informationen einblenden lassen. Und Hanss konnte sehen, was ich sah und umgekehrt.


Das große Tor zum Gelände war zu, was mir Recht war. Klar, man kann eine Mauer leicht überwinden, dennoch ist es ein gute Gefühl, wenn nicht jedes Viech hier einfach so rein und raus spazieren kann.


Das Hauptgebäude, eine imposante Villa, hatte zwei Eingänge. Das Hauptportal, auf welches wir gerade zu gingen und einen Hintereingang.


Vor dem Portal, ja, so groß war das schon, blieben wir stehen und Hanss machte sich an dem Öffner zu schaffen. Sein Blick, das Äquivalent zu einem Schulterzucken, deutete an, dass es wohl mehr als einfach war. Es klickte und klackte, dann schwang die große Tür auf.


Hanss ging vor. Über das Disply der Brille konnte ich verfolgen, dass er auch die Daten des Schiffes nutzen konnte. Zusammen schwangen wir das Portal weiter auf und sahen uns um.


"Die Wände und das Portal halten die Scanner ab."


Hanss sagte das, als sei das ganz normal, dass jemand einen Haufen Galacs investiert, damit einfache Wände und Türen jede Art von Scannern abhielt. Da das Haus einen ruhigen und verlassenen Eindruck bot, machte ich mir keine Sorgen.


Im großen Eingangsbereich gingen viele Türen und Treppen ab. Wir nahmen uns erst das Erdgeschoss vor. Die gewaltigen Bilder an der Wand interessierten mich nicht. Außer Empfangsräumen, einem Speisesaal, der wenig bis gar nicht benutzt wirkte, einem nichtssagenden Büro und den üblichen Wirtschaftsräumen fanden wir nichts wichtiges.


So nahmen wir uns den oberen Bereich vor. Hier wurde es interessanter. Zum einen fanden wir das Büro des ehemaligen Eigentümers. Direkt daneben lag das Schlafgemach, anders konnte ich es nicht benennen, so groß wie es war. Und hier lag auch die völlig verweste Leiche eines vermutlich alten Mannes. Diverse klinische Geräte standen neben dem Bett. Alle deaktiviert. Kurz überlegte ich, ob ich ein Tuch über die Leiche legen sollte, ließ es aber.


Hanss durchsuchte das Schlafzimmer ausführlicher, ich wollte den Leichengestank nicht ertragen. Außer einem alten Blaster fand er nichts.


Im Büro konnte ich nur wenige Papierkram finden und machte mich an die Recheneinheit. Der Zugriff war natürlich gesperrt, was für mein Hackingwerkzeug kein Problem darstellen sollte, stellte es aber.
Ich verband das Tool kurzerhand mit dem Schiffsrechner und ließ es laufen.


Am anderen Ende des Flures wurde es spannend. Hier war der Kontrollraum für die Technik. Hanss und ich schauten uns hier sehr genau um und versuchten herauszufinden, was überhaupt passiert war.


Den letzten Aufzeichnungen nach war jemand auf das Anwesen eingedrungen. Unbemerkt von den Wachen, die einfach tot umfielen.


Meine Nackenhaare stellte sich mir auf.

Auch waren sämtliche Geschäftsdaten an bekannte Unterweltgrößen übertragen worden. Oha. Auch die Konten waren leergeräumt und die Galacs auf fremde Konten transferiert worden. Alle, bis auf eines. 


"Es gab einen Zahlendreher, würdest du sagen."


Ich musste Hanss nichts sagen, er kannte mich gut genug und transferierte die Galacs auf eines meiner Geheimkonten.


"Hanss, such du hier weiter. Ich gehe in das Büro und schaue, was mein Hacktool macht."



Dort blinkte das Tool grün vor sich hin. Der Rechner war freigeschaltet und sämtliche vorhandenen Daten waren auf das Schiff transferiert worden.


Zurück bei Hanss bekam ich einen Bericht, was er gefunden hatte.


"Es gibt eine komplette Bestandsliste an Waren, die gehandelt wurden. Vieles davon nicht nur auf der schwarzen Liste. Wäre der Mann nicht schon tot, er würde für mehrere Jahrhunderte auf einem Gefängnisplaneten schuften dürfen. In den Räumen unten lagern zahlreiche geächtete Waffen, teure Drogen, einiges an Gerät, dass wir in die Rennschnecke einbauen sollten und sogar, das wird dich freuen, echtes Bier von der Erde."


Das Leuchten in meinen Augen war Antwort genug.


"Eine Kiste 7 mit nicht benanntem Inhalt lagert im Untergeschoß, Raum C3."


Ich blickte ihn erfreut an, das klang nach dem, was Captain Huggins uns aufgetragen hatte.


"Nicht so voreilig, Habakuk," winkte Hanss mit seiner mechanischen Geste ab. "Der Raum ist gut gesichert. Und bei diesem Raum ist das Sicherheitssystem noch aktiv. Ebenso der Weg dahin. Das Untergeschoß, du würdest es Keller nennen, gleicht einem Bunker."


"Verdammt!" brummte ich.


Hanss nickte und wies auf das Display mit vielen Zahlen drauf.


"Kraftfelder, Sensoren, Selbstschussanlagen, selbst primitive Flammenwerfer und starke Schocker sind verbaut."


"Kannst du das deaktivieren?"


"Von hier aus sollte ich es können, jedoch scheint die Verbindung gekappt zu sein."


Er rieb sich die Stirn, was für einen Androiden eine seltsame Geste war, die mich beunruhigte. In den meisten Fällen zuckte er mit den Schultern, löste das Problem und gut war es.


"Ich schaue mir das vor Ort an."


Schon stapfte er los. Seine Programmierer mussten sehr sture Leute gewesen sein. Ich hätte jetzt sagen können, er solle das lassen, jedoch währe die Wahrscheinlichkeit, dass er auf mich gehört hätte, gering gewesen. Denn eine gewisse Neugier war ihm auch programmiert worden. Und so ein Problem machte Hanss sehr neugierig.


Zusammen gingen wir zu der Tür, die zum Untergeschoß führte. Vorbei an teuren Vasen, Statuen aus Edelmetallen aller Planeten, Gemälden und seltenen Pflanzen ging es nach unten. Immer wieder sicherte ich nach hinten obwohl das ja die Scanner tun sollten.


"Entspannt dich, Habakuk!" sagte Hanss plötzlich, ohne sich zu mir umzudrehen.


Leise brummte ich vor mich hin und versuchte mich zu entspannen. 
"Irgendwas machte mich unruhig und ich weiß nicht was. Bisher hatte mich dieses Gefühl nicht betrogen, Hanss."

"Das, was du Intuition nennst?"


"Ja."


Er antwortete nicht und zog die Tür auf.


Hanss scannte die Treppe nach unten. Da er dort fast eine Minute stand, bedeutete das nichts gutes. Dann klinkte er sich direkt in ein Bedienfeld ein und stand still. Über meinen Visor sah ich, was Hanss machte.

Der Treppenbereich war nicht nur mit zahlreichen Sensoren bespickt, nein, er verfügte auch über einige Waffensysteme, die nicht nur mir ein schnelles und schmerzhaftes Ende bereitet hätten.



"Fertig."


Hanss ging die Treppe runter und schaute sich auf der letzten Stufe um. Über den Visor konnte ich sehen, dass seine Scanner nun auf Hochtouren liefen. Er hatte sie mit zusätzlicher Leistung versorgt, was kurzzeitig ging, Hanss aber in seiner Bewegung einschränkte, wenn er das zu lange machte.


Nicht nur der Fußboden war mit Sensoren und Sprengfallen versehen, auch die Seitenwände boten zahlreiche Spielereien, die vermutlich auch der Sicherheitsdienst gern gehabt hätte.


Wieder klinkte sich Hanss in ein Bedienfeld ein. Dieses Mal ging es schneller. Hier und da gingen Lichter aus, dann flammte die Beleuchtung auf.


Immerhin etwas.


Hanss hieß mich oben warten und durchschritt den Flur bis zu der Tür, die uns von der Kiste 7 trennte.


"Komm bis zum Ende der Treppe nach! Nicht weiter! Dieser Raum ist mit einem autarken System ausgestattet. Soweit ich das scannen kann, befindet sich in dem Raum nur die Kiste und einige sehr böse Abwehrsysteme. Hier wollte jemand auf gar keinen Fall, dass man an die Kiste heran kommt."


"Für eine einfache Kiste ist das eine Menge Aufwand."


"Das habe ich auch schon durchgerechnet. In der Kiste sind nicht nur einfache Blaster drin."


Ich nickte, auch wenn Hanss das nicht sehen konnte.


"Meinen Berechnungen nach, sind da mindestens Massenvernichtungswaffen drin. Alles andere würde so einen Aufwand nicht rechtfertigen. In den anderen Lagerräumen befinden sich die Waffen und das Bier. Letzteres ist zwar sehr teuer, jedoch nicht so teuer, dass man das hier auffahren müsste."


"Und was glaubst du, ist in dem abgelegenen Bunkerkomplex?"


"Der Auflistung nacht nichts. Das hat die Auswertung unseres Bordcomputers ergeben."


"Gut, darüber machen wir uns später Gedanken. Konzentriere du dich lieber auf die Tür da. Nicht, dass uns eines dieser Knallbonbons um die Ohren fliegt."


"Und das Gebäude gleich mit."


Kurz scannte Hanss die Tür ab, fand jedoch keinerlei Zugang. Das konnte ich auf dem Visor erkennen.


"Vielleicht versteckt in einem der Nachbarräume."


Hanss nickte als Antwort und stapfte los. Da, bis auf dem Raum mit Kiste 7, alles abgeschaltet war, durchsuchten wir nun die beiden Räume links und Rechts von C3. In einem Raum stapelten sich typische Waffen und Munitionskisten. Von konventionellen Waffen mit Geschossmunition bis hin zu Blastern, die selbst auf dem Schwarzmarkt verdammt selten zu bekommen waren, lagerte hier vieles, was das Waffenhändler Herz hätte höher schlagen lassen.


Im zweiten Raum fanden wir die Drogen. In vielen kleinen Kisten lagerte Zeug, dass schöne Träume, schlechte Träume, gute Laune, schlechte Laune, Dauererektionen, Multi-Orgasmen, Wollust oder Trunkenheit erzeugte. Das meiste davon genau das Zeug, was kaum bis gar nicht abhängig machte, also fürchterlich teuer war.


Und, ich fand das Bier! Ich traute meinen Augen nicht. Eine ganze Palette echten Bieres von der Erde. Ohne zu zögern schnappte ich mir einen Repulsor und lies die Palette zum Schiff schweben. Hanss Seitenblick verriet Bände. Nun ja, die teuren Drogen programmierte ich für die nächsten Fuhren.


Immerhin brachte der freie Platz, dass wir eine versteckte Klappe fanden. Versteckt hinter diversen Kisten, die Strahlung verschluckten, befand sich hinter einem Bild eine kleine Abdeckung, die ohne Scanner nicht zu erkennen war. Erst mit meinen Visor sah ich sie, als Hanss mich darauf aufmerksam machte.


Er öffnete sie und klinkte sich in die Steuerung ein. Ich wollte schon siegessicher zur Tür C3 gehen, als Hanss die Hand hob und "HALT!" rief.


Dann passierten mehrere Dinge auf einmal.
Im Flur ging das Licht aus, eine Sirene jaulte kurz auf, rotes Licht drehte unter der Decke, irgendwo ging eine Tür zu, zahlreiche Servos surrten böse auf, irgendwo schienen Geräte aufzuwachen und Laser flimmerten über den Flur.


Während ich noch Deckung hinter einer Kiste suchte, hatte Hanss mit einem Satz die Tür zugeworfen und sich neben der Tür in Position gebracht.


"Was ist passiert?"


"Das Sicherheitssystem für den Kellerflur wurde aktiviert." antwortete Hanss mit seiner emotionslosen Stimme, die mich gerade nicht beruhigte.


"Mist! Wie ist das passiert?"


"Mein Eindringen in das System des Raumes nebenan muss einen Alarm ausgelöst haben. Der hat das System wieder in Bereitschaft versetzt."


"Bereitschaft? Das nennst du Bereitschaft? Das klang, als hätten sämtliche Kampfroboter des Sicherheitsdienstes draußen Position bezogen!" fuhr ich ihn an.


"Beruhige dich, Habakuk! Denk lieber nach, statt deinen Puls in ungesunde Höhen zu treiben."


Kurz zuckte der Gedanke durch meinen Kopf, ihm meine Faust ins Gesicht zu rammen, doch sagte die restliche Vernunft, dass dass bei Metall kaum was brachte und Hanss höchstens beleidigt wäre. Und Hanss konnte beleidigt sein. Einmal, da ... nun, ein ander Mal.


Ich hockte mich auf eine Kiste mit Depridrogen und atmete mehrfach kurz durch. Es war nicht das erste Mal, dass wir in der Patsche saßen. Zugegeben, bisher war keine Situation dabei, die derart bitter war.


Wenn ich bisher mit oder ohne Hanss in Schwierigkeiten geriet, konnte ich verhandeln, schießen oder weglaufen. Hier jedoch kämpften wir gegen ein Wachsystem, dass meine sonstigen Optionen unmöglich machte.


"Log dich wieder ein und versuche, das Wächtersystem zu deaktivieren! Oder versuche über das Schiff Verbindung zum System des Hauses zu bekommen!"


Mein blecherner Freund schien kurz still zu stehen und ging dann wieder zu dem versteckten Bedienfeld in der Wand. Dabei sagte er:


"Das Schiff erreiche ich hier unten nicht. Aber dein Hackingtool. Wenn ich hier nicht weiter komme, versuche ich damit etwas zu erreichen."



Am Bedienfeld klinkte er sich wieder ein und schwieg. Derweil schaute ich mich im Lagerraum um. Außer den Kisten mit den Drogen fand ich nichts. Kein Wasser, kein Essen, nichts. So setzte ich mich seufzend auf eine der Kisten, atmete mehrmals tief durch, kam zur Ruhe, grübelte und hakte in Gedanken die Möglichkeiten ab.


Welche Optionen haben wir noch?
  • Laufen fällt aus.
  • Nach und nach die Waffensysteme zerschießen? Wohl eher nicht.
  • Das Hackingtool vielleicht.
  • Mit dem Kopf durch die Wand?
Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Natürlich konnten wir hier nicht mit Gewalt wie ein Kampfroboter durch wild rumballernd durch den Flur rennen. Aber wenn das nicht ging, warum nicht ein Loch in die Wand schießen?


14.07.2016
Hanss ließ vom Bedienfeld ab und stand still davor. Daraus schloss ich, dass er sich mit dem Hackingtool verband. Doch auch hier gab er nach wenigen Minuten auf.

"Es gibt keine Verbindung mehr zu dem System oben. Vorerst sitzen wie hier fest."

"Wie dick ist die Wand zum Nebenraum? Woraus besteht sie?"

Hanss drehte sich zu der Wand und sagte nach einem kurzen Augenblick:

"Das ist eine Betonitmauer mit Stahlplastverstärkung. Die ist schon dick. Aber nicht so dick, dass wir es nicht versuchen könnten."

Sprachs und zog seinen Blaster. Er nahm eine Stelle knapp unterhalb des offenen Bedienfeldes aufs Korn. Dort gab es eine Verbindung zum Raum nebenan. Den Blaster auf volle Leistung gestellt, zielte er, während ich in Deckung ging und drückte ab.

Es knallte, schmurgelte und britzelte. Gestank von verbranntem Plastik breitete sich im Raum aus und als die kleine Rauchwolke verflogen war, sah ich ein kleines Loch. Hanss machte weiter. 


"Ich sehe mir mal die Kisten an. Vielleicht ist da, außer den Drogen, was nützliches drin."

Hanss antwortete nicht und ich schob einige Kisten beiseite.


"Hier sind Blaster. Schwere Blaster. Nimm einen von denen, Hanss. Die haben mehr Bumms."


Wortlos ergriff er den Blaster, den ich ihm hinhielt, lud ihn fertig und begann quasi ein Loch zu schweißen.


Da gab es eine Art Klopfen an der Tür. Ich war so überrascht, dass ich wie vor Schreck erstarrt stehen blieb. Wieder. Ein kurzes Klonk.


Fragend schaute ich Hanss an.


"Was ist das denn jetzt?"


Klonk.


Ich hob meinen Blaster und bezog Stellung hinter einer Kiste der Tür gegenüber. Hanss ging zur Tür, stellte sich seitlich auf und betätigte den Öffner.


Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Mein Repulsor schwebte herein, schnappte sich eine Kiste und flog wieder davon, als sei nichts gewesen.


"Was zur Hölle...?" stotterte ich.


Hanss schaute auf den Flur, zuckte zurück und im Rahmen schlug eine Lasersalve ein.


"Der Funk!" rief ich aus. "Kommst du zum Hackingtool durch?"


Hanss antwortete nicht, stand still und nickte dann.


"Ich habe dem Tool den Auftrag erteilt, das System hier unten auf Standby zu schalten. Es ist immer noch mit dem Schiffsrechner verbunden."

"Na, das klingt doch mal gut." antwortete ich, schnappte mir eine Flasche und wog sie anerkennend in der Hand. "Echtes Glas. Man, das habe ich noch nie gesehen."


Als ich den Deckel abdrehen wollte, musste ich feststellen, dass das nicht ging. Es war kein altertümlicher Drehverschluss. Und was für ein Verschluss war es jetzt?


"Hmm. Komisch. Wie geht das denn nur auf?" sprach ich zu mir selbst und schaute mich um. In der Kiste lag ein kleiner Gegenstand aus silbrigem Metall. Ein Ende breiter, eines schmal. Erst hielt ich es für einen Löffel mit Loch, doch dann kam mir eine Idee. Und richtig!


"Ha! Passt! Mein Großvater hatte sowas mal erzählt. Es gab früher Flaschen mit einem festen Deckel. Also, ganz früher. Die wurden mit diesem Hebel hier abgezogen."


Ich muss gestehen, dass ich bei den ersten Versuchen beinahe die wertvolle Flasche hätte fallen lassen. Doch dann hatte ich sie auf. Bei dem Zischen zuckte Hanss nervös auf und hob seinen Blaster.


"Bleib ruhig. Das gehört so."


Erst roch ich an der Flasche und probierte dann einen kleinen Schluck. Dann noch einen und dann liess ich das edle Getränk vollends über meine Zunge laufen. Ein Genuss! Bitter, würzig, perlig. Ein Traum.


"Was?!"


Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Hanss den Blaster hob und in Deckung ging. Ich tat es ihm nach, nicht ohne das Bier vorsichtig in eine Ecke zu stellen.


Der Repulsor flog herein, schnappte sich noch eine Kiste und flog wieder davon.


"Order noch einen vom Schiff! Nein, alle vier!"


"Erledigt."


Er warf eine Packung Tabletten in den Flur. Sie blieb liegen.


"Es hätte ja nicht grad die teuerste Packung sein müssen."


Sein Blick verriet mir, dass er kein Verständnis für meine Rüge hatte. Schnell lugte er um die Ecke, was wieder mit einer Lasersalve belohnt wurde. Eine zerschmolzene Riefe zeugte davon, dass er nicht schnell genug war.


"Mach keinen Scheiß! Lass das und warte ab!" sagte ich als mir ein Gedanke kam.


"Warum kommen die Repulsor eigentlich unbehelligt durch und wir nicht? Warum reagiert das System nicht auf sie. Im Gegenteil, es lässt sie durch und öffnet die Tür."


Inzwischen trudelten die drei anderen Repulsor heran, scannten kurz den Raum und schnappten sich je eine Kiste. Hanss hielt einen auf und prüfte die Daten.


"Sie sind als einfache Transporter gekennzeichnet. Das könnte das System veranlassen, sie nicht anzugreifen. Dann sieh dir hier die Kennungen auf den Kisten an."


Er zeigte auf einen Patch an der Kiste die der Repulsor trug.


"Das System des Hauses kennt diese Kennung auch."


"Na, dann kleben wir uns einfach so einen Patch auf die Stirn und alles ist gut."


"Du hast mir gerade abgeraten ... Scheiße zu machen!"


Ich mochte es nicht, wie er dieses Wort betonte. Es klang so belehrend. Pff. Ich bin mir sicher, er hätte mahnend eine Augenbraue gehoben, hätte er welche gehabt.



Naja, verwegen war der Gedanke schon.

"Was schlägst du denn vor? Sollen wir warten, bis der Raum leer ist und wir hier austrocknen?"


"Austrocknen tust nur du, Wasserbeutel."


Autsch! Das saß.


"Sag mal, Blechbüchse, hast du wieder deine drolligen fünf Minuten? Drehen deine Relais durch?"


Ich wusste, dass er das gar nicht hören mochte. Zum einen bestand Hanss Außenhülle aus hochwerten Plaststahl und teuren Legierungen und altertümliche Relais kannten seine Schaltkreise überhaupt nicht. Als ich ihm das erste mal das Wort Relais an den Kopf warf, hat er doch wirklich gefragt, was das ist.


"Die Rennschnecke meldet sich. Es nähert sich ein Fahrzeug."


"Ach, Mist!" rief ich aus, unser Zwist war vergessen. "Was für ein Fahrzeug? Flugobjekt? Bodenfahrzeug? Dampflok?"


Den Scherz überhörte er und stand still.


"Die Sensoren orten ein Flugobjekt dicht über dem Boden."


"Ein Gleiter?"


"Nein, ist wohl größer."


"Dann schneid den Patch ab und halte ihn mal in den Flur. Irgendwas müssen wir ja machen."


Hastig und leider ohne genießen zu können, trank ich das Bier aus. Hanss Blick ignorierte ich nun und schnappte mir eine längliche Packung Drogen.


"Hier, bapp da den Patch dran und halt die Packung raus. Dann folgst du langsam."


Er zögerte nur kurz, hielt dann die Packung in den Flur, streckte langsam den Arm nach und schaute dann selbst raus.


Es blieb ruhig. Sollte es so einfach sein?


Das rote Licht war aus. Die Sirene schon lange. Sämtliche Waffensysteme waren in den Wänden verschwunden.


"Das Hacktool hatte Erfolg. Die Tür ist wieder auf, die Funkverbindung steht. Es hat das System beruhigt."


Er zog schnell den Kopf ein, woraufhin ich den Blaster hob und hinter eine Kiste sprang. Die Karawane der Repulsor flog herein und nahm weitere Kisten mit.


Hanss Blick sprach Bände. Sicherlich hätte er eine verächtliche Geste gemacht, wenn er gekonnt hätte.


Ich erhob mich und schritt erhobenen Hauptes an ihm vorbei.


"Lass die Repulsor machen. Erst mal müssen wir sehen, was da auf uns zukommt. Was sagt Rennschnecke?"


"Keine Identifikation."


Wir eilten nach oben. Im hellen Flur war es mir schon wohler. Draußen atmete ich erst mal durch um dann zum Cockpit zu eilen. Die Rennschnecke hatten wir in Bereitschaft gelassen. Man weiß ja nie.


Aus den Sensorendaten wurde ich nicht schlau. Es kam definitiv ein Flugobjekt, recht groß, wie ein Transporter. Doch sehr dicht über dem Boden.


"Das Ding mäht ja fast den Rasen." murmelte ich.


"Den Daten nach ist das eine Leichterdrohne. Die wollen was abholen."


Nun ärgerte ich mich, dass ich nur vier Repulsor hatte.


"Die Kiste!" rief ich aus! "Die wollen die Kiste holen!"


Ich stürmte nach draußen. Über Funk wies ich Hanss an, zwei Repulsor vor die Tür zu schicken, das Hacktool auf das System des Keller loszulassen und sämtliche Systeme der Rennschnecke bereit zu halten. Insbesondere die Schilde und mir dann zu folgen.


Wieder im Keller rannte ich sofort auf die Tür zu, die natürlich noch geschlossen war.


"Hanss! Was ist da los?" brüllte ich, was beim Funk ja albern war.


"Das Tool braucht noch etwas." ertönte die emotionslose Stimme hinter mir.


Überrascht drehte ich mich um. Sein Interpreter funktionierte gut.


"Schau nicht so überrascht. Wie lange glaubst du, brauche ich für die paar Befehle? Minuten?"


Entnervt rollte ich mit den Augen, schickte einen Repulsor los, weitere Kisten aus den anderen Lagern zu holen. Hanss hatte inzwischen die anderen Räume geprüft und zwei Transportdroiden auf uns umprogrammiert. Die schleppten nun auch Zeug nach oben.


Ja, ich war gierig geworden, es stimmt ja. Man muss halt sehen, wo man... nein? Egal! Die Mumie oben brauchte das Zeug nicht mehr und ich konnte endlich Urlaub machen.


Vor mir klickte es, dann ging die Tür zischend auf.


Mitten in dem schwach beleuchtetem Raum stand eine dunkle Kiste. Es wirkte so, als sei diese Kiste für das Dunkel verantwortlich, saugte das Licht in sich auf um es nicht mehr heraus zu lassen.


Ich schüttelte den Kopf. Hanss ging ungerührt in den Raum, gefolgt von einem Repulsor. Dieser positionierte sich über der Kiste und wollte sie anheben. Doch diese rührte sich nicht. Ich orderte den nächsten Repulsor ran.


Mein Magen schien inzwischen einen Stein zu verdauen. Ich achtete nicht darauf.


"Gibt es hier ein Kraftfeld?"


"Die Sensoren zeigen nichts an." Hanss zeigte auf eine Anzeige an seinem Arm.


"Ist die im Boden verankert? Zwei Repulsor sollte es ein Leichtes sein, diese Kiste zu bewegen. Ach, verdammt!" fluchte ich und trat gegen die Kiste.


Zuerst passierte gar nichts, dann wurde es erst dunkler, so schien es um wieder etwas heller zu werden. An der Kiste war ein Anzeige aktiviert.


16.07.2016

Hanss und ich schauten erst uns an dann auf die Anzeige. Außer einer Zahl und zwei Kontrollleuchten war nichts zu erkennen. Näher an die Kiste herantretend suchte ich nach Eingabefeldern. Der Eiswürfel in meinem Magen hatte sich aufgelöst und war zu Säure geworfen.

"Öffnen und Schließen. Ich fass es nicht."

Kopfschüttelnd sah ich auf die Kiste herab.

"Lass sie zu! Der Sicherheitsdienst möchte sie unversehrt. Und da wir nicht wissen, was drin ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gefährlich ist hoch."

Auch wenn es mir in den Fingern juckte, Hanss hatte Recht.

Über Funk meldete sich die Rennschnecke. Die Leichterdrohne war fast da. Flugs zog ich alle Repulsor zusammen und befahl auch den Droiden, sich ans Werk zu machen. Doch die Droiden verweigerten den Befehl.

Irritiert schaute ich auf den fast zwei Meter großen Droiden. Droiden gehorchten immer, wenn sie auf einen programmiert waren.

"Warum nicht?" war das Einzige, was ich herausbekam. Heute war nicht mein Tag. Doch Hanss Kollege piepste und summte nur und Hanss übersetzte.

"Es ist ihnen fest einprogrammiert, die Kiste nicht anzufassen."

"Na, das ist mal neu." grummelte ich. Der Droide quietschte weiter.

"Es gibt einen Goliath, der darf die Kiste bewegen."

"Und wo ist der?" fragte ich.

Nun tauschten Hanss und der Droide ein wenig mehr Quietschlaute aus. Mir war schleierhaft, warum die kein Standard sprachen, doch hier war einiges komisch im Haus.

"Der Goliath kommt grad mit der Leichterdrohne heran. Er wird die Kiste abholen und in den Bunker bringen. So lautet das Protokoll, das aktiviert wurde. Vermutlich das Sicherheitsprotokoll, durch unser Eindringen.

Der Blechhaufen ist wirklich kein guter Gesprächspartner. Versteht nur einfachste Fragen, braucht im Grunde eine Programmierung."

"Dann kann der auch keinen Blödsinn anstellen."

Meine Gedanken überschlugen sich. Den Goliath brauchten wir. Die Leichterdrohne nicht. Mit Glück waren beide unbewaffnet.

"Kannst du den Goliath auf uns programmieren?" fragte ich Hanss.

"Wenn er ähnlich einfach ist, wie sein kleiner Kollege hier, ja."

"Schick die Repulsor und die Droiden wieder an die Kisten. Die Zeit können die noch nutzen. Das Zeug ist zu wertvoll oder sollte in die nächste Sonne geschossen werden."

Wieder oben, sahen wir die Leichterdrohne bereits. Sie flog sehr tief über dem Boden, war breit, flach und hatte nur einen buckeligen Aufbau, der eher an eine Warze erinnerte. Das sie das eine oder andere Bäumchen umknickte und diverse Büsche ausriss, störte sie nicht.

Hanss wies die Rennschnecke an, wieder vor dem ummauerten Komplex zu landen. So zielstrebig, wie die flog, hätte sie glatt eine Beule in mein Schiff geflogen.

Und wirklich. Kurz vor dem Tor, dass sich von alleine öffnete, flog sie ohne Rücksicht über einen der Transpportdroiden, der gerade noch ausweichen konnte.

Direkt vor dem Tor schwebte sie, kam ein wenig zur Ruhe und es öffnete sich die Bugklappe.

Ich hatte Goliaths bereits im Einsatz gesehen. Diese fast drei Meter großen Transportmonster konnten selbst kleinere Schiffe heben und Festungen einreißen.

Ich bin mal in einen Aufstand geraten. Überall wurde geschossen, geschriehen und gestorben. Damals dachte ich, ich sei in der Hölle. Bis ich einen Goliath sah, den das örtliche Militär als einfachen Kampfroboter umprogrammiert hatte. Zwei mittlere Blaster an die Arme geschweißt, solche, die sonst auf einer Lafette standen, war der Goliath nun eine rücksichtslose Mordmaschine. Auch schien ihm jegliche Direktive gelöscht worden zu sein, denn er trampelte einfach über die Aufständischen drüber, zermalmte sie unter seinen Füßen. Ich sah Körper, die zuckend zur Hälfte zerquetscht sich am Boden wanden und suchte das Weite.

Noch immer träume ich davon, noch immer schäme ich mich, dass ich floh statt etwas zu tun, auch wenn mein Verstand sagt, dass ich nichts hätte ausrichten können.

Als nun dieser Koloss von der Leichterdrohne stapfte, wurden all diese Erinnerungen wach und mein Verlangen, dieses Ungetüm zu zerstören war groß. Meine Hände krampften sich um meinen Handblaster, der nicht mal einen Kratzer bei dem Goliath hinterlassen hätte. Ich kämpfte mit mir und atmete schwer.

"Was ist?" fragte Hanss. Sein Interpreter arbeitete gut. Vermutlich sah er meine erhöhte Puls- und Atemfrequenz.

"Später. Programmier das Ding um!" knurrte ich.

Ganz kurz zögerte er, dann ging er zu dem Goliath. Dieser achtete gar nicht auf ihn und stapfte ins Haus. Hanss hielt Schritt und über den Visor sah ich, dass es keine Funkverbindung gab. So machte er sich daran, den im Rücken gut geschützten Konnektor zu öffnen. Da der Goliath aber zu groß war, rief Hanss eine Ratte herbei. Diese flitze aus der Rennschnecke hervor, krabbelte flink am Goliath hoch und verband sich mit dem Konnektor. Der Goliath war grad am Kellerabgang angekommen als er stehen blieb.

"Warte, bevor du ihm neue Befehle gibst!" rief ich. "Schau erst, was die alten sind."

"Kiste holen, Kiste auf Leichterdrohne bringen, Kiste begleiten, Kiste in Bunker bringen." gab Hanss sofort zurück. "Du vergisst, dass ich kein Mensch bin und solche Dinge automatisch..."

"Ja ja ja, schon gut. Weiß er, was drin ist?"

"Nein, der weiß gar nichts. Grad mal, wem er gehört und was sein Auftrag ist und wie er die Kiste freibekommt."

"Also doch. Donnerknall, die Technik hier muss sauteuer gewesen sein."

"Ja. Die hat viele Galacs gekostet." Hanss konnte ernüchternd sein.

"Dann weise ihn an, die Kiste in die Rennschnecke zu bringen. Ah! Und wenn er rumweint, weil er das nicht darf, dann soll er sie nur lösen."

Doch es klappte. Während ich mir die Leichterdrohne anschaute, sah ich über den Visor, was Hanss sah. Die Kiste war mit einem raffinierten Kraftfeld gesichert. Es war so gut versteckt, dass man es nur mit speziellen Scannern sehen konnte oder die Frequenz gewechselt wurde. Die Generatoren waren weit unter dem Gebäude in einem kleinem Raum versteckt.

Der kleine Säuresee in meinem Magen hatte Gesellschaft von einem Lavafluss bekommen. So eine Kiste derart gesichert mit so viel fürchterlich teurem Aufwand. Hier waren weit mehr Galacs allein für die Sicherung der Kiste investiert worden, als die Rennschnecke je gekostet hatte.

Die Leichterdrohne hatte keine Kennung, keine Waffen, ganz brauchbare Schilde und einen wirklich anständigen Reaktor. Die Warze war ein Steuerstand und Aufenthaltsmöglichkeit für zwei drei Humanoide Gestalten. Sonst gab es nur Ladefläche und Sicherungsfelder für die Fracht.

Grad als ich wieder runtergehen wollte, fiel mir auf, dass die Schilde aktiv waren. Schnell funkte ich die Rennschnecke an, doch die hatte nichts auf dem Schirm.

Ich wurde unruhig.

"Hanss? Wie weit bist du?"

"Fertig. Die Kiste ist gelöst und der Goliath bringt sie rauf. Die Kellerräume sind auch fast leer. Was ist mit den Gemälden an der Wand?"

"Egal. Beeilt euch!"

"Was hast du?" fragt er.

"Weiß ich nicht. Die Schilde der Leichterdrohne sind hoch. Und ich habe einfach ein verdammt schlechtes Gefühl im Bauch."

Hanss antwortete nicht. Inzwischen kannte er Instinkt nicht nur dem Wort nach. Er hatte mehrfach mitbekommen, dass sich mein ungutes Gefühl bewahrheitet hatte und uns den Arsch rettete.

So befahl er den Trägern eine letzte Runde zu machen, genau die Zeit, die der Goliath brauchte, die Kiste im Schwerlastbereich der Rennschnecke zu sichern und wieder zu verschwinden.

Die Leichterdrohne schickte ich leer davon. Das Haus verschloss ich wieder, wäre schade um die schönen Gemälde. Die wollte ich später holen.

In der Rennschnecke erwartete mich eine Überraschung. Der Goliath wich nicht von der Kiste. Er weigerte sich und droht mit Selbstzerstörung. Das hätte das gesamte Schiff samt Kiste zerlegt. So wiesen wir ihn an, sich zu deaktivieren, sicherten die Ladung, während der Autopilot uns langsam in die Höhe brachte.

Um die Kiste brachten wir nicht nur die üblichen Transportsicherungen an. Wir aktivierten zusätzlich Schutzfelder, die zum Beispiel eine Explosion schlucken würden. Nun, wenigstens eine kleine.

Den Notabwurf, der sonst mit ein wenig Sicherheitsaufwand auszulösen war, hatte ich vorbereitet. Der ganze Schwerlastbereich konnte innerhalb von Sekunden abgesprengt werden und würde dann zur nächsten Sonne geschossen werden.

Klingt paranoid, doch ich war derart nervös, dass ich das alles tun musste um nicht durchzudrehen. Und, ich mochte mich täuschen, die Kiste schluckte das Licht in dem Modul. Es war die Standardbeleuchtung an und dennoch war es dunkler hier. Es schien, als würden die Leuchtmittel ängstlicher leuchten und ihr Licht sofort von der Kiste verschlungen werden.


Hanss schickte eine verschlüsselte Nachricht an Captain Huggins. Die Botschaft "Das Ei ist im Korb" war nicht gerade heroisch, doch hatte es keine Aussage für jemanden, der die Nachricht entschlüsselte.


Verfolger im Anflug

Wir stiegen immer weiter zum Orbit, als ein Alarm ertönte.

"Annäherungswarnung! Annäherungswarnung!"

Hanss saß im Cockpit, als ich mich zu ihm setzte. Annäherung konnte vieles heißen: Flugtiere, Fluggeräte, Raketen, Satteliten oder

"Eine Verfolgerdrohne." pfiff ich anerkennend. "Da möchte es jemand sehr genau wissen. Ist das eine vom Sicherheitsdienst?"

"Das können die Sensoren nicht auswerten. Dem Flugprofil nach" er zeigte auf eine Kurve auf einem Display "Ist es eine von denen, die sich an die Bordwand heftet und mitfliegt."

Lästige kleine Mistfliegen.

Neu waren die nicht, früher schwer zu orten, heute jedoch kein Problem mehr. Große Schiffe hätten die vielleicht gar nicht bemerkt. Bei kleinen Schiffen, wie die Rennschnecke, war es überlebenswichtig, kleinere Flugobjekte nicht zu rammen. Die Schilde waren ja nicht immer aktiviert und ein Zusammenprall in Weltraum oder Atmosphäre konnten einem schon den Tag versauen.

"Kannst du sie einfangen?"

"Hast du nicht genug Beute gemacht, Habakuk?"

"Haben wir. Mich interessiert, wem die gehört. Zieh sie mit dem Traktorstrahl rein und lass eine Rakete explodieren, kurz bevor sie drin ist!

Seine Mechanischen Finger tippten Befehle auf den Displays und Schaltern. Inzwischen schwebte eine Rakete neben der Bordwand und die Verfolgerdrohne kam immer näher. Wir warteten, bis wir die Atmosphäre verlassen hatten. So würde niemand Trümmerteile suchen wollen.

"Du die Rakete, ich den Traktorstrahl."

Hanss dirigierte das Feuerwerk in einen sicheren Abstand und aktivierten das Schild in dem Bereich. Ich zog die Drohne langsam heran. Es ging anfangs recht gut, da sie wohl einfach nur ans Schiff wollte. Zuletzt gab ich volle Energie und zog sie in eine kleine Ladebucht für Werkzeug. Hanss lies die Rakete explodieren und ich schloss die Ladebucht und legte ein Kraftfeld drumherum. Nun dürfte kein Signal mehr rauskommen.

Als nächstes gab ich Stoff.

"Raus hier und ab zur Wace Station!"

"Denkst du an die Drogen? Mich deaktivieren sie nur. Dir drohen Gefängnisplanet und mehr."

"Alles eingeplant. Sieh hin!"

Auf einem Display lief ein Countdown. Das gefährlichste Zeug hatte ich in einem Spezialmodul lagern lassen. Als wir den Hyperraumsprung vorbereiteten, wurde das Modul ausgeklinkt und zur Sonne geschossen. Die schlimmsten Drogen und Waffen würden so recht schnell einschmelzen.

"Deswegen bist du so dicht an diesem Glutball rangeflogen. Ich dachte schon, du willst uns einschmelzen."

"Hanss, du hast doch nicht etwas Angst vor der Hitze?"

"Nicht mehr als du."

Schmunzelnd liess ich ihn in Ruhe. Ihm musste eine gewisse Abneigung gegen Hitze einprogrammiert worden sein. Er mied Lava, Glut, Schweißbrenner und Sonnen, wie sonst kein Androide.

"Kümmern wir uns jetzt um unseren kleinen Gast. Sie mal! Sieht aus, als schliefe sie."

Auf einem Bildschirm konnten wir die Verfolgerdrohne sehen. Sie schien deaktiviert zu sein. Wir froren sie ein und lasen ihre Daten aus. Überrascht atmete ich aus.

"Verdammt!"

"Nichts, keine Informationen. Wir waren zu langsam."

"Sie hat sich selbst gelöscht. Was für ein Mist. Ich habe hier noch ein Auslesemodul rumfliegen. Für euch Androiden würde es wie ein Verhör sein. Das will ich mal drauf ansetzen."

Hanss ging wortlos zum Cockpit zurück. Auch diesem Modul gegenüber war er reserviert. Die Verfolgerdrohne und das Verhörmodul schloss ich in der Werkzeugschleuse ein und lies sie arbeiten.



Kein Schlaf

Hanss übernahm den Flug während ich schlafen wollte. Doch Schlaf wollte sich nicht einstellen. Nun war ich so lange wach und wälzte mich hin und her. Schließlich gab ich es auf und schlurfte zu dem Bereich, in dem die Kiste steckte. Alle Werte waren im grünen Bereich, alle Sicherheitssystem aktiv. Das entspannte mich ein wenig.

In der Kombüse aß ich ein wenig.

16.07.2016 21:51
Lustlos kaute ich auf meinem Synthfleisch als ein leises Zittern durch das Schiff ging. So schnell, wie es gekommen war, so schnell verschwand das Zittern.

"Hanss?"

"Ja, ich habe es auch registriert." kam die Stimme aus dem Kom.

"Was war das?"

"Das prüfe ich gerade. Der Reaktor läuft rund. Die Schildgeneratoren auch. Kein Meteroitenfeld in der Nähe, kein Planet, an dem wir mal wieder haarscharf dran vorbei rasen da ich den Kurs habe berechnen lassen. Alles ruhig."

Den Seitenhieb übergehend fragte ich:
"Was ist mit der Kiste?"

Nach nur wenigen Sekunden ertönte aus dem Lautsprecher die Antwort:

"Sieht ruhig aus. Alle Schirme und Felder sind aktiv."

"Hmm, danke. Vielleicht war es was von draußen und wir sind längst vorbei. Ich versuche wieder zu schlafen."

"Mach das."

Auf meiner Koje wälzte ich mich noch einige Minuten hin und her, die Gedanken um die Kiste kreisend, bis ich dann doch in einen unruhigen Schlaf fiel.
Im Traum verfolgte mich ein riesiger Goliath um mich mit einer lichtfressenden Kiste zu erschlagen. Er war so groß, dass ich die Vibration seiner Schritte am ganzen Leib spürte. Ich wollte fliehen, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Hilflos starrte ich auf die Gestalt, sie kam immer näher, hob die Kiste hoch über sich um mich damit zu erschlagen, seine Schritte ließen den Boden zittern, da war er heran und ließ die Kiste auf mich herabfallen.

Schweißüberströmt schreckte ich aus dem Traum hoch. Ob ich geschrien habe, weiß ich nicht mehr. Einige tiefe Atemzüge waren notwendig um meine Puls nicht mehr bis unter die Haarspitzen zu spüren. Dann spürte ich etwas anderes. Das Schiff erzitterte wieder. Ganz leise zog es sich durch das Schiff. Als käme es wie kleine Wellen am großen Wasser eines Planeten ans Ufer. Hier kam es aus dem Heck bis nach vorne gespült.

"Hanss?" krächzte ich ins Kom. Ein kurzes Räuspern, dann fragte ich erneut: "Hanss?"

"Es ist die Kiste."

Mehr sagte er nicht. Brauchte er auch nicht. Seine Worte legten sich wie alte Stahlketten um meine Schultern.

"Wie lange schon?" fragte ich mit heiserer Stimme.

"Vor zwei Stunden, vier Stunden nach deinem letzten Anruf, finge es an. Da es gleich wieder vorbei war und alle Systeme der Rennschnecke liefen und immer noch laufen, habe ich nichts unternommen.  Vor einer Stunde fing es wieder an und blieb dabei. Es wurde auch mehr. Inzwischen  habe ich die Temperatur in dem Modul gesenkt. Das Zittern scheint geringer zu werden, je tiefer die Temperatur sinkt."

Ich starte das Kom an. "Wie kalt ist es da jetzt?"

"Minus 5 Grad, fallend."

"Lass es weiter sinken. Lieber habe ich da hinten eine Eisbox, als dass die Kiste uns mit diesem Zittern die Rennschnecke zerlegt."

"Das habe ich erwartet. Aufhören soll es bei Minus 20 Grad. Wenn das nichts bringt, öffne ich ein Außenschott."

Kurz dachte ich darüber nach, was das bedeuten würde. Im Hyperraum ging das nicht. Viel zu gefährlich. Wir müssten als wieder in den Normalraum, das kostete Zeit.

"Lass es uns, wenn es nicht hilft, noch weiter versuchen. Ich habe keine Lust in irgendeinem System zu parken, nur weil ein froschmäuliger Offizier seine Leute schonen wollte."

"Verstanden."

Das Zittern ebbte weiter ab und wieder fiel ich in einen unruhigen Schlaf. An den Traum konnte ich mich nicht mehr erinnern, doch half er mir nicht bei der Erholung. Immerhin wachte ich von alleine auf und die Rennschnecke flog still dahin.



Stromausfall

Grad wollte ich mich wieder hinlegen, als es dunkel wurde. Dunkel und still. Zeitgleich spürte ich das typische ziehen, das entsteht, wenn das Schiff aus dem Hyperraum in den Normalraum zurückfällt.

Mit meinem Handkom machte ich Licht und griff mir meinen Blaster. Die Stille bedeutete, dass der Reaktor aus war. Dass das Licht aus war, bedeutete, das Notsystem war auch aus.

Ich würgte meine aufkommende Angst runter, steckte den Blaster in die Tasche und schob die Tür auf. Normalerweise ging sie automatisch auf. Heute mühte mich mich damit ab, sie wenigstens soweit aufzubekommen, dass ich mich hindurchzwängen konnte.

"Hanss?" rief ich in den Flur.

Keine Antwort. Ich eilte nach vorne und fand das Cockpit verlassen vor.

"Hanss! Wo steckst du?"

Erst mal gab es dringenderes. Nur wenige Anzeigen leuchteten noch. Eine davon war das Notsystem. Es war manuell deaktiviert worden. Schnell legte ich die entsprechenden Schalter um. Einige Sekunden blieb es still und dunkel. Dann hörte ich das Summen eines Generators. Die Folge war, dass nach und nach Displays zum Leben erwachten. Ein Notsystem war normalerweise nur für die Lebenserhaltung und die Notrufe zuständig. Ich hatte es ein wenig erweitert, so dass es den normalen Funkbetrieb im Schiff und nach draußen ermöglichte und die Navigation, die viel Energie verschlang, betreiben konnte.

Somit konnte ich wenigstens atmen und den Kurs prüfen. Der Sauerstoffgehalt war stabil. Nur der Kurs beschrieb eine Kurve. Wir flogen ein neues Ziel an.

"Donnerknall. Wer pfuscht da herum?"

Über die Hauptanzeigen flogen nur wirre Zahlenkolonnen, die ich erst nicht zuordnen konnte. Als ich die Kom prüfte, sah ich entsetzt, dass sie mit Höchstleistung sendete. Ich schaltete es aus. Damit erloschen auch die Zahlenkolonnen. Andere Anzeigen leuchteten auf. Irgendwer oder irgendwas prüfte das System und wollte das Kommodul aktivieren.

Den Blaster ziehnd und ging ich auf die Suche. Die Notbeleuchtung erhellte den Flur soweit, dass ich genug sehen konnte. Und was ich sah, gefiel mir gar nicht.

Vor der Werkzeugluke lag Hanss der Länge nach auf dem Boden. Eine Hand zuckte auf und zu, die Sensoraugen flackerten wild.

"Verdammt! Hanss! Mach keinen Scheiß!" neben ihm kniend hob ich seinen Kopf hoch, als sei er ein Mensch. Für mich war er immerhin sowas wie ein Freund. Ich schaute mich um und blickte in die offene Werkzeugluke. 

"Scheiße!"

Außer dem Verhörmodul war nichts mehr darin. Die Verfolgerdrohne war weg.

"Na warte, Bürschchen, dich kriege ich! Und dann grille ich dich."

Erst mal wollte ich Hanss in den Reparaturmodus versetzen. Das musste ich bisher nur ein einziges Mal machen, als ich ihn fand und gucken wollte, ob er Schrottwert hatte oder doch noch mehr kann. Daher kannte ich auch die kleine Klappe unter der sich einige Anzeigen verbargen. Diese zeigte mir an, dass seine Recheneinheit auf Volllast arbeitete. Da ich nicht wusste, womit die Recheneinheit so hart zu tun hatte, kappte ich kurzerhand seine Reaktoreinheit und schloß sie neu an. Ja, nun war die Anzeige ruhiger.

Der Reparaturmodus startete automatisch. Wie lange das dauern würde, blieb abzuwarten. Mehr konnte ich nicht tun.

Als nächstes wertete ich das Verhörmodul aus. Dem Protokoll nach, hatte es viele Daten auslesen können, die mussten warten. Auch schien es so, als sei die Verfolgerdrohne gar nicht gelöscht worden. Es war ein raffinierter Tarnmodus für eben solche Verhöre. Ich brauche ein neues Verhörmodul! Das alte kommt auf den Schrott.

Demnach tobte eine Verfolgerdrohne durch mein Schiff.

"Schöne Scheiße!"

Wo ich suchen musste war klar. Beim Antrieb. Mit gezogenem Blaster ging ich auf die Jagd. Und wirklich. Vor der Reaktorkonsole schwebte die Drohne und hatte sich über einen Anschluß mit dem Schiff verbunden.

"Du kleiner Schlingel!" knurrte ich anerkennend. "Täuscht deinen Tod an, tarnst dich vor dem Verhör und verpisst dich dann zum Reaktor. Aus dir mache ich Metallstaub!"

Den Blaster auf Streustahl mit schwacher Wirkung stellend, zielte ich kurz und schoß. Die Drohne wich aus.

Meine Überraschung war sicher auf meinen Gesicht zu sehen. Zum Glück war ich alleine. Nun schoß ich gleich zwei mal hintereinander. Außer Löcher in der Verkleidung kam dabei nichts heraus.

Vor Wut war ich den nächst besten Gegenstand, den ich greifen konnte, nach dem Mistding. Und traf.

Nun war es wieder ich, der verdattert da stand. Und musste mit ansehen, wie die Ratte auf der Drohne hockte und sich festkrallte. Genau die Ratte, die vor einigen Stunden noch den Goliath hatte übernehmen helfen.

"Ratte! Neuer Befehl: Übernahme der Drohne auf der du sitzt!" rief ich, als ich mich von meiner Überraschung erholt hatte. Ich konnte es immer noch nicht fassen.

Die Ratte schien kurz zu überlegen, ob sie wirklich den Kampf aufnehmen sollte, doch dann begann sie auf der Verfolgerdrohne herumzuturnen um schließlich still zu halten.

"Neuer Befehl: Dreh ihr den Saft ab!"

Mir war eingefallen, dass die Verfolgerdrohne ja schon das Verhörmodul platt gemacht hatte.

Die Ratte bewegte sich nur wenig, die Drohne dafür um so mehr. Einige Male musste ich den Kopf einziehen, so wild flog sie hin und her. Zuletzt schien sie nur noch ein Ziel zu kennen: Mich! Mit aller Gewalt raste sie auf mich zu, als ich in einer Ecke stand. Ich wollte den Blaster heben, doch war mir klar dass es zu spät war.

Ich dachte noch, das wird böse, als es ein Geräusch gab, als sei ein Hammer gegen eine Stahlplastwand geschlagen worden. Die Augen öffnend, sah ich, dass der Hammer am Boden lag. Die Stahlplastwand hatte mich gerettet.

Hanss lies seinen Arm sinken und griff nach der am Boden liegenden Drohne. Die Ratte wuselte in ihre Parkposition. Die Drohne sah wieder wie tot aus.

17.07.2016
"Reiss die Energiezelle raus!"

"Das hat die Ratte schon gemacht. Nun werten wir sie aus."

Die Drohne in der Hand, ging er zum Verhörmodul. Darüber las er die Daten aus, während ich den Reaktor wieder in Betrieb nahm. 
Reaktoren kann man problemlos herunterfahren. Man kann sie auch einfach abschalten. Die Verfolgerdrohne hat Letzteres getan.

Somit musste der Reaktor erst eine Prüfroutine durchlaufen, der Reparaturbot einige Defekte kitten und ich nervös auf das Ergebnis warten. Dem ersten Anschein nach, war nicht viel kaputt, eher nur überhitzt.

Schließlich überlies ich dem Reparaturbot die Arbeit und ging zu Hanss, den Gedanken verscheuchend, dass wir ohne Antrieb und Steuerung mit neuem Kurs durchs All schossen.

"Hast du was herausgefunden?"

"Die Drohne wurde von einem Feind des Hauses abgeschickt."

"Wessen Feind? Unser?"

"Nein, Habakuk. Feind des ehemaligen Besitzers der Villa, die wir ausgeräumt haben. Der Auftrag der Drohne lautet unser Ziel herauszufinden. Ist es ein offizielles, wie zum Beispiel der Sicherheitsdienst, dann soll sie das Schiff zerstören. Ist es ein anderes Ziel, dann sollte sie an uns dranbleiben und Daten übermitteln."

"Was sie ja auch getan hat."

"Hat sie?"

"Ja, Hanss, während du schliefst, hat sie eine Menge Daten rausgejagt. Ich habe deswegen den Funk deaktiviert. Warum hast du da eigentlich gelegen?"

"Sie hat mich überrascht." Das klang jetzt ein wenig kleinlaut. Innerlich tanzte ich grad Samba. Äußerlich bemühte ich überrascht zu sein und das Grinsen zu verstecken.

"Sie hat was?"

"Du hast schon richtig gehört. Sie hat mich überrascht. Sie hat einen Stealthmode. Deswegen hat dein veraltetes Verhörmodul auch erst spät etwas herausgefunden und die Drohne auch noch mit Infos versorgt. Dann ist sie aus der Werkzeugluke raus, als ich grad den Reaktor und die Kiste prüfen wollte. Meine Sensoren haben erst etwas aufgezeichnet, als sie an mir dran klebte und sich mit mir verbunden hatte. Da war es schon zu spät. Sie hat mein System mit einem Programm geflutet, danach habe ich keine Aufzeichnungen mehr."

"Ich fand dich am Boden liegend" hier schaute Hanss zu Boden und wirkte ein wenig betroffen. Hach! "Deine Hand zuckte und deine Sensoraugen sahen seltsam aus. Dann habe ich"

"Den Notreboot aktiviert und damit die Reparaturroutine. Ja, das weiß ich dann wieder." Kurz schwieg er. Ein Mensch hätte jetzt Luft geholt. "Danke."

"Gern. Weißt ja, ich brauch dich noch ein wenig. Außerdem hast du mir vorhin den Arsch gerettet. Immerhin hätte ich nicht nur einen Kratzer, hätte das Ding mich getroffen."

Das schien ihm Auftrieb zu geben. Und ich dachte, er habe keinen Emotionschip.

Es wurde hell im Korridor und die Notbeleuchtung ging aus. Das gleichmäßige Summen des Reaktors füllte das ganze Schiff und beruhigte mich wieder.

"Kümmere du dich um dieses kleine Mistding, ich prüfe das Schiff. Ach, und schaue bitte auch nochmal nach dem Reaktor und der Kiste."

"Mache ich."



Zurück auf Kurs

Im Cockpit schwang ich mich auf den Stuhl des Technikers, da, wo sonst Hanss immer saß. Von hier aus war es leichter, die Prüfungen durchzuführen. Soweit schien das Schiff ohne Schaden davon gekommen zu sein. Alles lief wie es sollte. Die Schilde hochfahrend, prüfte ich den Kurs. Es war ein mir unbekannter Planet. Nicht, dass ich alle Planten persönlich kennen würde. Doch kennt bzw. hört man von vielen, die irgendwie interessant sind. Interessant kann sein, dass ein Planet völlig uninteressant ist, weil es im Grunde nur ein Felsbrocken mit Kleinstatmospähre ist. Hier kann man gut etwas verstecken. Es kann bedeuten, dass es ein Wasserplanet ist. Wichtig zu wissen, wenn man selbst keines mehr hat. Es kann bedeuten, dass es ein heimliches Schmugglernest ist. Und so weiter.

So hört und liest man wenigstens mal Namen, hat was im Hinterkopf. Doch diese Planet sagte mir gar nichts. Das System an sich kannte ich, war noch nicht dort hingeflogen und hatte das auch nicht vor.

Die Datenbank gab nicht viel her. Atmosphäre für Menschen, Land und Wasser gleichmäßig verteilt. Flache Vegetation. Keine Besiedelung. Keine Rohstoffe. Keine Informationen über Tiere. Das mit der Besiedelung wunderte mich. Solche Planeten waren sonst immer von Farmern bewohnt, die ihr Glück in der Ferne suchten.

Wir hatten anderen Sorgen. Ich speicherten die Koordinaten ab und korrigierte den Kurs.

Es war nicht mehr weit und sollten wir ohne weiteren Zwischenfall fliegen können, wären wir bald auf der Wace Station.

Hanss kam ins Cockpit und erstattete Bericht. Viel neues konnte er nicht berichten. Die Drohne sollte uns zerstören oder umlenken. Letzteres hatte sie versucht. Oder beides. Der Frequenz, auf dem sie die Daten verschickte, gab auch nichts her. So blieben wir ratlos.

Das Kom piepte.

"Captain Huggins. Seien Sie gegrüßt."

"Sie auch, Pratt. Wie ich las, waren Sie erfolgreich. Das freut mich." Seine Stimme hatte einen lauernden Unterton.

"Danke. Ja, das stimmt. Wir sind mit der Kiste zu Ihnen unterwegs."

"Ist alles gut gelaufen?" fragte er.

"Nun, nein. Doch das werde ich Ihnen erzählen, wenn ich bei Ihnen bin. Die Verbindung ist nicht sicher. Und wir haben etwas an Bord, was Sie prüfen lassen sollten."

Seine Froschaugen schienen kurz größer zu werden.

"Verstehe. Kommen Sie heil her." Das Bild verschwand.

Ich schloß die Verbindung ganz.

"Was sollte das denn? Ein Kontrollanruf?" fragte ich mehr mich selbst.

"Vermutlich. Er traut uns nicht."

Ich schnaufte kurz.

"Was ein Wunder. Als Ritter des Gesetzes sind wir nicht grad bekannt."

"Was hast du als nächstes vor?" fragte Hanss.

Kurz dachte ich nach.

"Wir geben die Kiste dem Captain. Vermutlich müssen sie den Goliath auch nehmen." Bei dem Gedanken musste ich grinsen. In Erwartung einer Kiste bringt man gleich einen Transportriesen mit.

"Die Drohne übergebe ich auch und die Koordinaten des Planeten vermutlich auch."

"So, wie ich dich kenne, willst du dir den Planeten anschauen."

Wieder musste ich grinsen.

"Ja, das möchte ich. Bist du nicht neugierig, was das für ein Planet ist, auf den uns die Drohne schicken sollte?"

"Neugier ist mir fremd. Deine Entscheidung. So, wie du aussiehst, hast du dich schon entschieden."

Ich nickte.

"Ja, denke schon. Erst mal unser Paket auf der Wace Station loswerden. Bin froh, wenn die Kiste weg ist. Was hast du mit der Drohne gemacht?"

"Sie ohne Energie in der Werkzeugluke deponiert. Sie hat noch einen Hemmbolzen."

Auch Hanss traute dem Ding einiges zu.
Wir redeten noch über das eine oder andere, dann muss ich eingenickt sein.



Wace Station

Eine unfreundliche Stimme weckte mich. "... keine Landeerlaubnis! Ich wiederhole: Sie haben keine Landeerlaubnis, Transportschiff Rennschnecke."

Nachdem ich mich ein wenig gestreckt hatte, griff ich zum Kaffee. Hier machte ich keine Kompromisse. Wohl gab es überall billigen Sojakaffee, doch das trank ich nicht. Wann immer ich die Gelegenheit hatte, kaufte ich echten Kaffee, der um ein vielfaches teurer war, mir jedoch besser schmeckte.

"Was soll das?" fragte ich nach einem ersten Schluck. "Hast du Captain Huggins angemorst?"

"Ja, und nicht erreicht. Die wollen ihn auch nicht informieren."

Ich versuchte es selbst nochmal und bekam den guten Mann auch nicht ans Rohr.

"Und warum lassen sie uns nicht landen? Das ist doch eine Krankenstation und keine Kampfein- DA!"

Ich zeigte auf den Schirm. Fünf rote Punkte erschienen aus dem Nichts und beschleunigten direkt auf die Wace Station. Dort wurden Raumjäger losgeschickt und die Schilde hochgefahren.

"Das darf doch nicht wahr sein!"

Die roten Punkte griffen direkt die Station an. Während wir etwas oberhalb des Geschehens in Ruhe schwebten, tobte unter uns der Kampf. Die wenigen Raumjäger konzentrierten sich wie ein Schwarm Mücken um einen der Angreifer. Diese Taktik half zwar, der Angreife drehte bei und explodierte dann, doch auch die Raumjäger wurden weniger.

Das Geschützfeuer der Wace Station arbeitete ebenso konzentriert, doch waren immer noch drei Angreife unbehelligt und flogen eine Welle nach der anderen. Mir wurde das zu dumm.

"Schilde hoch, Antrieb auf Kampfgeschwindigkeit, Lasergeschütze feuerbereit, Raketen startklar machen!"

Hanss fragte nicht, er machte. Seine Hände hämmerten in berauschender Geschwindigkeit über die Bedienflächen.

Einer der Angreifer wollte einen Bogen drehen und dreht uns seine Unterseite zu. Da er mit uns nicht gerechnet hatte, hielt uns wohl für Weltraumschrott, hämmerten unsere Lasersalven voll in seinen Schild und die erste Salve der Raketen gab ihm den Rest.

"Da waren's nur noch zwei!"

"Bitte?"

"Nichts, da, den, der grad auf die Station zufliegt. Den erwischen wir am Heck. Verfolgungskurs, Laser drauf und dann..."

Unsere Lasergeschütze trommelten ins Heck, dass die Schilde glühten. Da erwischte ihn eine volle Breitseite der Wace Station und trudelnd verschwand er aus unserem Sichtfeld.

Der letzte Angreifer hatte es nun auf uns abgesehen und schoss aus allen Rohren. Ich erhöhte die Schildenergie und fuhr die Lasergeschütze etwas runter. Zwei Raketen jagte ich ihm nach, doch die flogen vorbei. Da unser Gegner deutlich wendiger war, hatten wir ihn bald am Hintern kleben.

"Verdammt! Der ist wendig und Schnell. Volle Energie auf die Heckschilde! Bleib bei der Station. Vielleicht können die uns helfen!" rief ich lauter als nötig.

Hanss steuerte einen wilden Kurs, doch unser Jäger holte auf und feuerte weiter. Die Energie der Schilde sackte schon in den unteren Bereich. Ich fuhr die Energie für die Laser ganz runter und leitete diese zu den Schilden um. Das brachte diese wieder auf ein drittel, doch das Feuer hämmerte unermüdlich auf uns ein. Inzwischen jagte auch er Raketen auf uns. Deren Einschläge gaben dem Schild den Rest.

Wieder tauchten wir unter der Station durch und hoch darüber hinaus.

"Rennschnecke, bei drei eine harte Kurve zum Meteroiten! Eins, Zwei, Drei!"

Im Hintergrund der Ansage hörten man noch ein "FEUER!"

Wir quälten die Steuertriebwerke und zogen die Rennschnecke in die angewiesene Richtung. Über einen Monitor sahen wir, dass alle Geschütze der Wace Station und die Raumjäger unseren Verfolger unter Feuer nahmen. Er verging in einem hellen Feuerball.

Ich atmete auf.

"Oha, das war knapp. Das alte Mädchen ist einfach kein Jäger."

"Nein. Dafür hat sie sich gut gehalten. Du wirst allerdings einen neuen Schildgenerator brauchen."

Hanss deutete auf die Schadensberichte. Der Schildgenerator hatte den Geist aufgegeben.

"Mist, das wird teuer. Funken wir die Wace Station an. Vielleicht können die uns helfen."

"Wace Station, hier Renschnecke. Danke für Ihre Hilfe."

"Rennschnecke, wir haben zu danken. Ihr Eingreifen hat vielen Kameraden das Leben gerettet. Bis die Unterstützung hier ist, dauert es noch etwas. Das müssen die Angreifer gewusst haben.
Unseren Sensoren nach, haben Sie was abbekommen?"

"Das stimmt. Mindestens der Schildgenerator ist hin. Haben Sie ein Reparaturschiff oder dürfen wir nun doch an Bord kommen? Und wo ist Captain Huggins? Wir müssen ihn dringend sprechen."

"Da sind Sie nicht die Einzigen. Sie bekommen Landeerlaubnis. Die Daten haben Sie gleich."


An Bord der Wace Station

Festen Stahlplast um sich zu haben gibt einem ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Dabei trennen einen nur wenige Schichten Stahlplast von absoluter Kälte und Vakuum. Ein kleines Loch, verursacht durch eine Explosion oder durch einen Meteoriten, und der menschliche Körper verwandelt sich in einen Haufen gefrorenen Hackfleisches.

An Bord herrschte reger Betrieb. Die eigentliche Krankenstation hatte viel zu tun. Einige Raumjägerpiloten konnten lebend geborgen werden. Auch ein Schiff der Angreifer wurde geentert, die überlebende Besatzung gefangen genommen und zum Verhör geführt.

Wir hüteten uns, auch nur in deren Nähe zu gehen. Sollten die jemals freikommen, würden wir auf deren Liste ganz oben stehen. Da half es ein wenig, wenn sie unsere Gesichter nicht kannten.

Wir wurden zum stellvertretenden Kommandanten geführt.

"Willkommen auf der Wace Station. Waren Sie schon mal hier?"

"Nein, wir waren noch nie hier. Natürlich haben wir viel davon gehört."

"Hoffentlich nur Gutes!" zwinkerte unser gegenüber leicht.

"Nur nein, viel Gutes ja." gab ich zurück. "So ein Zeitsturm spricht sich auch bis in die entlegensten Cantinas herum."

"Ah, böse Sache das. Da war ich zum Einen noch nicht hier, zum Anderen war das der Grund, warum ich hierher beordert wurde."

"Verstehe. Sparen wir uns weitere Höflichkeitsfloskeln, Sie haben sicher andere Sorgen, Kommandant. Können Sie uns mit dem Schildgenerator helfen? Es sind weitere Defekte, die mit Ihren Bordmitteln sicher leicht geflickt werden können, der Schildgenerator wiegt am schwersten."

"Das habe ich bereits prüfen lassen, Mr. Pratt. Leider haben wir kein Modell, dass in Ihre Schiffsklasse passen würde. Nur einen zu großen."

Er nannte mir die Modellnummer und ich grübelte und sah Hanss dabei an. Der nickte nur.

"Wenn Sie den erübrigen können, würden wir den nehmen. Was nicht passt, wird passend gemacht."

"Ihr Problem, wenn er ihnen um die Ohren fliegt." gab er zurück und tippte einige Befehle auf ein Display. "Der Generator wird grad zu Ihrem Schiff gebracht."

"Danke. Zweites und genauso dringendes Problem: Wir müssen Captain Huggins sprechen! Wir haben einen Auftrag für ihn erledigt und wollen diesen abschließen."

"Einen Auftrag? Worum handelt es sich dabei?" fragte der Kommandant vorsichtig.

"Offiziell war es ein Erkundungsflug nach Nitai." Hier zögerte ich etwas, war mir nicht sicher, ob ich mehr preis geben sollte.

"Ach, Sie waren das!" rief unser Gegenüber aus. "Sehr gut. Ich habe hier eine verschlüsselte Nachricht von Captain Huggins für Sie. Diese beinhaltet weitere Order für Sie."

"Weitere Order? Unser Auftrag ist erledigt." Ich lies den Kommandanten hören, dass ich sauer war. 

"Seien Sie unbesorgt, es ist mehr eine Bitte. Sie bekamen bereits den Ihnen zugesicherten Sold transferiert. Ich darf Sie, soweit es die Station im Kriegszustand hergibt, voll unterstützen. Schauen Sie sich erst mal die Nachricht an. Dann sprechen wir uns wieder."

So gingen wir mit einem Datenkristall zur Rennschnecke zurück. Hier stand ein wuchtiger Schildgenerator auf einem großen Repulsor. Der Techniker, der ihn hierher geleitet hatte, sah uns skeptisch an.

"Der soll da rein?"

"Sicher. Würden Sie ohne Schild fliegen wollen?" fragte ich zurück.

"Nein, doch ist der eine Nummer zu groß für Ihr Schiff."

Ich schüttelte den Kopf.

"Lassen Sie das unsere Sorge sein."

Er konnte nicht wissen, dass die Rennschnecke diverse Umbauten hinter sich hatte. Selbst der Antrieb war nicht mehr der eines normalen Transportschiffes. Und den Bereich des Schildgenerators hatte ich längst modifiziert. Nun würde ich da weniger Platz zum Schmuggeln haben und dafür einen verdammt guten Schildgenerator.

"Wollen Sie den alten Generator als Ersatzteillager behalten? Wenn nicht, jage ich den in die nächste Sonne."

"Immer her damit. Sie können den hier im Dock stehen lassen. Wegpusten tun wir den dann. Der Kommandant hat uns volle Unterstützung für Sie befohlen."

Ich dankte ihm und machte mich an die Arbeit. Nach einigen Stunden kam ich schweißgebadet wieder aus dem Schiff und war zufrieden. Ein erster Probelauf hatte den alten Generator locker in die gewünschte Ecke geschoben, direkt vor die Füße des Technikers.

Nach einer Dusche gingen wir in den Aufenthaltbereich um zu essen. Hier trafen wir auf die Raumpiloten. Diese waren dankbar, dass wir nicht zu den Piloten gehörten, die sich hinter einem Meteoriten versteckten, bis die Luft wieder rein war. Sie spendierten uns das Essen und ich revanchierte mich mit einem Kasten echten Bieres. Ich hatte Freunde fürs Leben gewonnen.


Nachricht von Captain Huggins

"Hallo, Mr. Pratt. Wenn Sie diese Nachricht bekommen haben, bin ich leider schon weitergeflogen und Sie am Leben. Letzteres ist sehr gut.
Ihre zwanzigtausend Galacs habe ich überweisen lassen. Plus einen kleinen Bonus für etwaige Unannehmlichkeiten.
Die Kiste bitte ich Sie zu den Koordinaten am Ende dieser Nachricht zu bringen. Selbstverständlich werden Sie dafür entlohnt werden. Ich hoffe, Sie werden auf der Wace Station gut versorgt?
Eine letzte Bitte: Reden Sie möglichst wenig über die Kiste und bringen Sie sie zu dem Ort. Man wird Sie empfangen.
Viel Glück!"

Das Bild verdunkelte sich und die Koordinaten leuchteten auf.

Nachdem wir gestärkt und leicht angetrunken die Piloten verlassen hatten, bestand Hanss darauf, die Nachricht anzuschauen. Wir gaben die Koordinaten ein und stellten überrascht fest, dass es ein Planet im System des Planeten war, zu dem uns die Verfolgerdrohne schicken wollte.

"Donnerknall." schüttelte ich den Kopf.




DATUM!

Wird fortgesetzt.



Was kann die Kiste?

Wird fortgesetzt.

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