Samstag, 25. August 2012

Aufenthalt im Knast

Ich musste in den Knast. Warum ein Büromensch, wie ich, in den Knast muss, fragen Sie? Ganz einfach: Für meinen Chef optimierte ich die Firmenunterlagen. Und zwar so, dass niemand das bemerken konnte. Wurde dann aber leider doch bemerkt. Mein ehemaliger Chef sitzt nun auf Bali oder so und ich sitz im Knast. Wenn ich hier rauskomme, besuche ich ihn, hab ich mir vorgenommen. Wird aber wohl noch einige Jahre dauern, laut meinem Anwalt.

Nun hatte ich meinen ersten Tag im Knast. Kennen Sie diese Schauermärchen die im Gefängnis spielen? Ich auch. Nur konnte ich diese nun auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Toll.

Meine persönliche Habe gab ich am Emfpang, upps, kleiner Scherz, am Eingang ab. Die Knastkleidung war einfach und robust. Arbeitskleidung. Je weiter ich voran geführt wurde, desto größer wurde meine Angst. Waren die Wärter schon unfreundlich, die Gesichter der Insassen versprachen die Hölle. Es war alles da, was ich in Krimis je gesehen habe. Glatzköpfige Muskelpakete mit Tattoos, Stiernackige Russen, Schwarze mit Oberarmen wie ich nie solche Oberschenkel haben würde, Türken mit zernarbtem Gesicht, schmächtige weiche Typen mit Tuch auf dem Kopf, damit sie wie eine Frau aussahen.

Mein Atem ging schneller. Ich wollte nicht weiter, ich war hier falsch. Ich musste nicht in so ein Gefängnis. Ich war Buchhalter und kein Schwerkrimineller. Mein Anwalt hatte das auch gesagt. Der Richter zuckte nur desinteressiert mit den Schultern und murmelte was von Überfüllung, Pech gehabt und großer Steuerhinterziehung.

Schweiß brach mir aus auf den letzten Metern bis zur Zellentür. Meine Knie drohten weich zu werden, die Arme zitterten unter der Last der Decke, die ich trug. Darauf lagen mehrere Bücher, die ich mitnehmen durfte. Kurz vor meiner Zelle fielen die Bücher herunter. Gejohle der Gefangenen war die Antwort.
"Bück dich!" riefen einige.
"Frischfleisch, haste Angst?" riefen andere.
Hastig sammelte ich meine Bücher auf und hetzte in die Zelle. Wenigstens hatte ich hier etwas Glück im Unglück. Es war eine Einzelzelle. Ich warf Decke und Bücher auf den Stuhl und mich auf's Bett. Oh Scheiße! Das überlebe ich nicht!
"So, Bürohengst, Freigang auf dem Flur." sprach einer der Wärter.
"Was?" war meine Gegenfrage.
"Die Zelle bleibt auf und du darfst hier herumspazieren. Viel Spaß!" grinste der Wärter böse. "Oder besser viel Glück?" Er verschwand.

Die Zellentür stand sperrangelweit offen. Draußen gingen einige der Insassen vorbei und schauten neugierig herein oder ignorierten mich völlig. Nach kurzem Überlegen erhob ich mich. Wenn, wollte ich wenigstens stehen. Nach einigen unsicheren Schritten auf die Tür zu blieb ich wie erstarrt stehen. Ein Mann stand wie hingezaubert im Türrahmen. Lautlos war er dort hingekommen und schaute mich aus seinem Rattengesicht an. Fiese kleine Augen schickten stechende Blicke in meine Richtung. Sein mageres Oberlippenbärtchen sprach von wenig Bartwuchs, ein paar Bartflocken wuchsen wie Inseln im pickeligen Gesicht. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig. Sein Haar war kurz, seine Haltung geduckt wie lauernd. Seine Lippen umspielte ein gehässiges und auf eine seltsame Weise gieriges Lächeln. Er leckte sich hastig über die Oberlippe. Seine rechte Wange hatte unter dem Auge eine Narbe, so dass sein Augenlid etwas herunter hing. Die Hände zuckten nervös.
"Na, Frischfleisch. Herzlich willkommen bei uns im neuen Heim." sprach er mit einer Stimme, die von zu viel Zigaretten und Alkohol zeugte. Herzlich war bei ihm nichts.
"Wa wa was wollen Sie?" versuchte ich möglichst selbstsicher herauszubringen, doch er merkte sofort meine Angst und grinste noch breiter.
"Dich kennen lernen, Kleiner. Du machst einen frischen Eindruck. Vielleicht kann ich dich verkaufen, das heißt, deinen Arsch verkaufen." Gierig starrte er mich an.
"Ich gehöre Ihnen nicht." wagte ich eine Antwort. Doch er lachte nur. Er fackelte nicht lange und kam auf mich zu. Schnell wich ich zurück, doch war die Wand schneller da als mir lieb war. Von der Tür aus hörte ich auffordernde Stimmen.

Ich wollte mich erwehren, doch er lachte nur und drückte meine Hände nach oben an die Wand. Mit einer Hand hielt er meine Arme oben, mit der anderen betatschte dieser Mann meinen Körper. Es war ekelhaft. Er stank nach Schweiß und Zigaretten, sein kurzes Haar war siffig und seine dreckigen Finger glitten unter meine Wäsche. Ich geriet in Panik und begann noch mehr zu strampeln. Da riss er sein Knie hoch und trat mir damit zwischen die Beine. Der Schmerz schlug wie ein Blitz ein und durchfuhr meinen Körper mit einem Schlag bis unter die Stirn. Ich wollte schreien, doch mir fehlte die Luft. Ich sah ihn lachen, war unfähig mich zu bewegen, da mein Körper sich krümmen wollte vor Schmerz. Er hielt mich an der Wand fest und schlug und trat weiter auf mich ein. Langsam sackte ich an der Wand herunter und er mit mir. Durch den Schmerz fühlte ich weniger von seinen Berührungen. Weiter fummelte er an mir herum, riss mein Hemd hoch, grabbelte darunter. Als nächstes wollte er sich an meiner Hose zu schaffen machen und beugte sich etwas vor um besser sehen zu können. Sein Ohr kam damit meinem Kopf näher und ohne groß nachzudenken, was ich da tue, biss ich fest und tief zu.

Vor Schmerz aufbrüllend riss die Ratte ihren Kopf erschreckt zurück und damit das Ohr endgültig ab. Schreiend und sich den Kopf haltend wich er von mir zurück. Er blutete stark aus dem Ohr. An der Tür war das aufmunternde Rufen einem erstaunten Raunen gewichen. Ich sackte zusammen. Das Ohr hatte ich ausgespuckt. Mein Mund war voll Blut und wollte mich erbrechen. Rattengesicht brüllte immer noch und trat nach mir aus.
In einem kurzem hass- und schmerzerfüllten Augenblick wusste ich, was ich tun musste. Wenn ich jetzt nicht handelte, wenn ich mich jetzt nicht wehren würde, wäre ich für den Rest meiner Zeit hier verloren und sein Spielzeug. Und das aller anderen. Willenlos zur Benutzung und zum Vergnügen der Insassen. Das alles erkannte ich innerhalb eines kurzen Herzschlags. Meine Schmerzen ignorierend sprang ich auf und auf ihn zu. Weil ich dabei stolperte riss ich ihn mit mir um. Er lag unter mir. Meine Absicht war es, ihm in seine Wange zu beißen, was mir fast, aber nur fast gelang. Ich rutschte ab, da er seinen Kopf zurück zuckte und landete mit meinem zum Biss geöffneten Mund an seinem Hals. So biss ich zu.

So tief ich konnte schlug ich meine Zähne in seine Kehle. Ich schmeckte Blut und rohes Fleisch, spürte Sehnen und Haut reißen, Knorpel brechen. Seine Hände tasteten panisch nach meinem Kopf und wollten mich wegdrücken. Ich selbst riss den Kopf zurück und sein Fleisch mit mir. Blut rann mir am Mund herunter. Jetzt kniete ich über ihm und spuckte Teile seines Halses auf seine Brust aus. Zuckend und strampelnd lag er unter mir, Blut troff zwischen seinen Fingern durch, sein Gesicht war kreidebleich. Ich erbrach mich über ihm.

Draußen auf dem Flur war es ruhig geworden. Die Ratte röchelte jetzt nur noch, das Zucken wurde weniger. Die Blutlache dafür größer. Einen kurzen, lächerlichen Moment dachte ich darüber nach, dass es doch ein Wunder ist, wie viel Blut so ein Körper enthält und ich gern wissen würde, wie viele Liter das wohl währen. Stöhnend erhob ich mich und stand leicht schwankend über der immer weniger zuckenden Ratte. Ich blickte zur Tür. Dort standen dicht gedrängt meine Zellennachbarn, hinter einander, still und mit entsetzten Gesichtern. Erneut spuckte ich Blut aus.
"Noch jemand Bedarf?" fragte ich leise.

Schleunigst machte sich die Meute aus dem Staub. An mir herab schauend wurde mir klar, was für einen Anblick ich grad bot. Mein Hemd war über und über mit Blut verschmiert, meine Hose war halb offen, hing herunter, reichlich mit Blutspritzern übersät. Im Spiegel sah ich mein Gesicht und erschrak. Rund um meinem Mund war alles voller Blut. Nicht meines, aber es sah fürchterlich aus. Am Kinn hing noch etwas Kotze, doch das meiste war Blut.

Langsam schwankte ich zum Bett zurück und lies mich fallen. Für den Rest meiner Zeit hatte ich keine Probleme hier im Knast.


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